Dschawad Sarif, Federica Mogherini in Brüssel, Belgien, 15. Februar 2016.
Dem Atomabkommen mit dem Iran droht nach dem Ausstieg
der USA der Zerfall. Bei Rettungsversuchen in Brüssel geht es heute vor
allem um die Frage: Wie weit sind die Europäer bereit, zu gehen? Auch
Sanktionen gegen die USA wären möglich.
Vor einer
Woche hat US-Präsident Donald Trump seine europäischen Partner mit
seinem Ausstieg aus dem Atomabkommen mit dem Iran geschockt. Jetzt
versuchen Europäer und Iraner die historische Vereinbarung zu retten,
die den Bau einer iranischen Atombombe verhindern soll. Die äußerst
schwierige Mission beginnt an diesem Dienstag mit einem
Außenministertreffen in Brüssel.
Wer trifft sich in Brüssel?
Zuerst
berät die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini mit den Außenministern
aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Das sind die drei
europäischen Länder, die das Atomabkommen 2015 mit dem Iran, den USA,
Russland und China ausgehandelt hatten. Zu diesem Treffen kommt später
der iranische Außenminister Mohammed Dschawad Sarif hinzu. Ob es nach
den für den Abend geplanten Gesprächen eine gemeinsame Pressekonferenz
geben wird, ließen die Organisatoren bis zuletzt offen. Zu ungewiss ist,
ob es überhaupt etwas zu verkünden gibt.
Worum geht es?
Der
Iran will von den Europäern eine Garantie, dass er weiterhin von dem
Abkommen profitieren kann. Dafür hat das Land unmittelbar vor den
Brüsseler Gesprächen ein Ultimatum von 60 Tagen gestellt. Es geht
Teheran vor allem darum, sicherzustellen, dass die EU ausreichend
wirtschaftlichen Nutzen bietet, wenn die USA ihre Wirtschaftssanktionen
wieder einführen. Nur dann lohnt es sich aus Sicht der iranischen
Regierung, weiter am Atomdeal festzuhalten.
Wo ist das Problem?
Die
US-Sanktionen können nicht nur amerikanische, sondern auch ausländische
Unternehmen treffen, die mit dem Iran Geschäfte machen. Betroffen sind
vor allem diejenigen Unternehmen, die gleichzeitig auch auf dem US-Markt
aktiv sind - wie zum Beispiel der europäische Flugzeugbauer Airbus. Wer
weiter im Iran tätig bleibt, muss damit rechnen, mit US-Bußgeldern
belegt oder sogar ganz vom US-Markt ausgeschlossen zu werden.
Wie könnte die EU verhindern, dass sich europäische Unternehmen aus Angst vor US-Sanktionen ganz aus dem Iran zurückziehen?
Theoretisch
möglich wäre es, dass ein Abwehrgesetz reaktiviert wird, das bereits
1996 im Streit um Sanktionen gegen Kuba, den Iran und Libyen erlassen
worden war. Über das sogenannte "Blocking Statute" könnte es
europäischen Unternehmen unter Strafe verboten werden, sich an die
US-Sanktionen gegen den Iran zu halten. Gleichzeitig würde es regeln,
dass die europäischen Unternehmen für möglicherweise entstehende Kosten
und Verluste entschädigt werden. Auch ist bisher nicht geklärt,
inwiefern amerikanische Sanktionen diejenigen europäischen Unternehmen
treffen werden, die bereits im Iran tätig sind.
Kann das funktionieren?
So
einfach ist das nicht. Da viele große europäische Unternehmen einen
beträchtlichen Anteil ihrer Geschäfte in den USA abwickeln, könnten die
Kosten eines Abwehrgesetzes schnell in die Milliarden gehen. Dass die
USA nicht zimperlich sind, wenn es um ihre Sanktionen geht, haben
europäische Banken bereits zu spüren bekommen: Die Commerzbank musste
2015 zum Beispiel auch wegen Verstößen gegen amerikanische Sanktionen
bei Geschäften mit dem Iran 1,45 Milliarden Dollar an US-Behörden
zahlen. Auch die französische Bank BNP Paribas wurde bereits mit einer
Milliarden-Strafe belegt. Solche Unternehmen könnten zwar von der
Anwendung des Abwehrgesetzes ausgenommen werden, dann würde der Iran die
US-Sanktionen aber vermutlich stark zu spüren bekommen.
Sind noch andere Maßnahmen denkbar?
Im
Gespräch sind auch eine Unterstützung des Irans durch die Europäische
Investitionsbank (EIB) und Hilfen für kleine und mittlere
EU-Unternehmen, die nicht von den USA abhängig sind, sich aber
vorstellen können, im Iran zu investieren. Zudem könnte versucht werden,
bislang in US-Dollar abgewickelte Geschäfte künftig in anderen
Währungen abzuwickeln, um US-Sanktionen zu umgehen.
Und was ist mit Sanktionen gegen die USA?
Die
Amerikaner gelten im Fall des Iran-Abkommens als Vertragsbrecher, weil
sie sich aus dem Deal zurückziehen, obwohl die Internationale
Atomenergiebehörde (IAEA) dem Iran bescheinigt, alle Auflagen
einzuhalten. Theoretisch könnten die anderen Vertragsparteien darauf mit
Sanktionen reagieren. Die EU dürfte einen solchen Schritt allerdings
trotz des riesigen Frusts über die Amerikaner nicht in Erwägung ziehen.
Als Bedrohung betrachtet der Westen auch das iranische Raketenprogramm.
Dass die EU für den Iran einen schwerwiegenden Sanktionskonflikt mit den
USA riskiert, ist derzeit nicht vorstellbar.
Mit welcher Haltung geht die Bundesregierung in die Gespräche?
Sie
ist sich bewusst, dass es eine komplizierte Operation wird, zeigt sich
aber erst einmal zuversichtlich. Außenminister Heiko Maas versprach
Teheran unmittelbar vor den Gesprächen: "Solange sich Iran an das
Abkommen hält, wird Europa das auch tun, unabhängig von der Entscheidung
der USA." Der
Funke-Mediengruppe sagte der SPD-Politiker, es
dürfe nichts unversucht bleiben, "diesen wichtigen Baustein der
internationalen Abrüstungsordnung zu bewahren".
Was passiert, wenn der Rettungsversuch scheitert?
Der
Iran könnte sein Atomprogramm wieder starten und damit eine
Aufrüstungsspirale im Nahen Osten in Gang setzen. Damit würde die Gefahr
bestehen, dass sich die Spannungen mit Israel noch einmal verschärfen
und die rivalisierende Regionalmacht Saudi-Arabien ebenfalls nach der
Atombombe greift. Die Welt würde ein ganzes Stück unsicherer -
vielleicht würde es sogar zu einem Krieg gegen den Iran kommen. Schon
jetzt steht zudem fest, dass Europa und die USA nicht mehr die
Verbündeten sind, die sie einmal waren. EU-Kommissionspräsident
Jean-Claude Juncker sieht die EU und die USA mittlerweile in einer
"echten diplomatischen Krise". Der deutsche Europastaatsminister Michael
Roth (SPD) bezeichnete den einseitigen Rückzug der USA aus dem Abkommen
am Montag als eine "schwere Belastung der transatlantischen
Beziehungen". US-Medien zufolge hat der Iran zudem gedroht, Einzelheiten
über angebliche Schmiergelder offenzulegen, die an westliche Politiker
und Spitzenbeamte geflossen seien, um die Atomvereinbarung zu
ermöglichen, sollten die Europäer es nicht schaffen, die USA zu einer
Kehrtwende zu bewegen.
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