Wut und Trauer nach dem Großbrand in London: Einwohner werfen Theresa May Behördenversagen vor

Wut und Trauer nach dem Großbrand in London: Einwohner werfen Theresa May Behördenversagen vor
Die Bildwand mit den Opfern des Hochhaus-Brandes am 14. Juni im Londoner Stadtteil Kensington North.
Theresa May steht wegen ihrer Reaktion auf den Brand des Grenfell Tower mit mindestens 58 Toten unter Druck. Am Freitag protestierten die Einwohner des Bezirks gegen die Regierung. Sie warfen ihr Behördenversagen vor. 
 
Nach einem Besuch in der Nachbarschaft des ausgebrannten Hochhauses in London hat die Polizei die britische Premierministerin vor wütenden Demonstranten in Sicherheit bringen müssen, schreibt Der Tagesspiegel.

Die Augenzeugen berichteten, zornige Menschen seien am Freitag Mays Auto hinterhergelaufen und hätten sie angebrüllt. May hatte sich mit Opfern des Brandes und Anwohnern getroffen. Sie kündigte fünf Millionen Pfund an Hilfen an.

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Dies scheint für die Betroffenen jedoch kein Trost zu sein. Im Stadtteil Kensington stürmten Demonstranten das Bürgermeisteramt.
Wir wollen Gerechtigkeit, skandierten sie.

Die Menschen bahnten sich ihren Weg durch die automatische Tür des Gebäudes und versuchten, auch in die oberen Stockwerke gelangen. Die Polizei hielt sie auf. Die Katastrophe hatte Fragen über ein mögliches Versagen der Behören aufgeworfen. Viele vermuten viel mehr Opfer, als bis jetzt bekanntgegeben wurde.

"Absolut schrecklich": Misslungenes Interview
Noch am selben Tag gab May BBC ein Interview. Sie sagte, das Feuer im Grenfell-Tower sei ein "absoluter Horror", "eine schreckliche Erfahrung." Fragen, bei denen sie die allgemeine Stimmung beurteilen sollte, wich sie jedoch aus.

BBC-Interviewerin, Emily Maitlis, hatte vorgeschlagen, dass es für die Öffentlichkeit wohl tröstlich zu hören wäre, etwas sei furchtbar schiefgelaufen und dass die Behörden die Verantwortung übernehmen würden.

Am 16. Juni drang die aufgebrachte Menge auch in das Bezirksrathaus Kenshington ein.
Auf die Frage, ob sie die Wut der Bürger nicht verstehen würde, antwortete May:
Was ich als erstes getan habe, ist sicherzustellen, dass die öffentlichen Dienste weiterhin in der Lage sind, ihre Arbeit zu machen. Das haben sie auch in unmittelbarer Folge getan.
Erneut konfrontierte Maitlis sie mit der Frage, ob sie es versäumt habe, Verständnis für die öffentliche Wut zu zeigen.
Dies ist eine schreckliche Tragödie. Menschen haben ihr Leben, ihr Besitztum, einfach alles verloren, sagte May dazu.
Kritik in den Sozialen Medien
Für ihr Ausweichen erntet die Premierministerin scharfe Kritik.
Theresa May sollte von ihrem roboterhaften Interview-Stil wegkommen – doch das geschah nicht, meint etwa ein Twitterer:

Eine andere Twitterin schreibt:

Wer ist ihr Berater? Merkt sie nicht, dass es hilfreich wäre zuzugeben, dass etwas schief gelaufen ist?
Auch Mitglieder von Mays eigener Partei erhoben Vorwürfe gegen sie. May habe sich unter anderem zu spät mit den Opfern des Brandes getroffen. Diese wurden von dem Oppositionsführer Jeremy Corbyn, Bürgermeister Sadiq Khan und der 91-jährigen Königin Elizabeth II. besucht.

Infolge der heftigen Kritik empfing die Premierministerin Überlebende der Katastrophe in ihrem Amtssitz in der Downing Street am Samstag. Verletzte Opfer des zerstörten Grenfell Tower, freiwillige Helfer und Vertreter der Gemeinde sollten bei dem Treffen am Samstagnachmittag dabei sein, teilte ein Sprecher Mays in der britischen Hauptstadt mit. Die Premierministerin kündigte an, die Mieter mit einem Hilfspaket in Höhe von umgerechnet 5,7 Millionen Euro zu unterstützen.

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Neue Erkenntnisse über die Baustoffe
Der britische Schatzkanzler Philip Hammond sagte der BBC, dass die brennbare Gebäudeverkleidung des Grenfell Towers in Großbritannien verboten sei, berichtet die Zeit. Die strafrechtliche Untersuchung solle nun prüfen, ob bei der Renovierung des Hochhauses gegen Gesetze verstoßen worden ist.

Kritik an der Regierung wies Hammond zurück:
So weit ich das beurteilen kann, haben wir darauf korrekt reagiert. 
Die Opposition wirft der Regierung vor, Ratschläge nach einem Brand im Jahr 2013 ignoriert zu haben. Außerdem habe Premierministerin Theresa May zu spät und kühl auf das Unglück reagiert.
In der Nacht zum Mittwoch war der Grenfell Tower im Londoner Stadtteil Kensington in Flammen aufgegangen. Die Brandursache ist noch ungeklärt. Berichten zufolge soll es keine angemessenen Fluchtwege gegeben haben. Die Polizei geht derzeit von mindestens 58 Toten aus, befürchtet aber, dass diese Zahl noch steigen könnte. Immer noch werden 18 Verletzte im Krankenhaus behandelt.

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