Kann der radikale Islam durch Modernisierung des Islam
bezwungen werden?
Im Gegensatz
zu den meisten Religionen der Welt, besonders dem Christentum und dem Judentum,
hat der Islam noch keinen Modernisierungsprozess durchgemacht. Während es
Christen und Juden im Laufe ihrer Geschichte die Religion mit der Freiheit
versöhnen konnten, konnten die Moslems das nicht. Warum ist das so?
Vor der
industriellen Revolution hatten die christlichen Puritaner die Sittenhoheit in
ihren Gesellschaften. Mönche in England und Frankreich pflegten auf den
Strassen herumzustreifen und die Leute zum Kirchgang zu nötigen, wie die
Mutawas (die Religionspolizei) im heutigen Saudi-Arabien.
Im Jahr 1600
wurde Giordano Bruno auf dem Scheiterhaufen verbrannt, wegen seiner
wissenschaftlichen Ideen, die mit den Lehren der katholischen Kirche
unvereinbar waren, als Ketzer angeklagt. Brunos “Verbrechen” bestand darin,
dass er zu behaupten wagte, das Universum sei grenzenlos und die Sonne und ihre
Planeten wären nur eines von einer Anzahl von ähnlichen Systemen. Er vermutete
auch, dass es andere bewohnte Welten geben könne mit vernünftigen Wesen, die
uns ähnlich oder möglicherweise überlegen sein könnten.
1633 wurde
Galileo Galilei der Ketzerei angeklagt, weil er “der Position des Kopernikus
folgte“, die „der Autorität der Heiligen Schrift widersprach.“ Unter Folter
wurde er in die Knie gezwungen, um jeden Glauben an die Theorien von Kopernikus
zu widerrufen, und danach wurde er zu Hausarrest verurteilt bis an sein
Lebensende.
Auch das 16.
und 17. Jahrhundert war Schauplatz von Religionskriegen zwischen religiösen und
politischen Führern.
Religiöse
Überzeugung war die Basis für untadeliges politisches Handeln. Kaiser
Wilhelm begann den Ersten Weltkrieg mit der Devise: “Gott ist mit uns“.
In früheren
Zeiten glaubten die Anhänger des Katholizismus, sowie Luther, Calvin, die
Wiedertäufer, die Quäker und Unitariar – wie radikale Moslems heute
– ihre moralischen Regeln seien allen anderen überlegen, von Gott
vorgeschrieben, und durch Strafsanktionen erzwungen, und sie wollten diese
Regeln jedermann auferlegen. Deren Nichtbeachtung durch die Menschen bedeute
eine Beleidigung des göttlichen Willens und das Verderben der Gesellschaft.
Wegen dieses Glaubens führten sie Religionskriege.
Beinharte
Lutheraner attackierten Calvinisten in Berlin und ermordeten Tausende von
ihnen. In den Strassen von Paris töteten Katholiken über 3000 Hugenotten.
Radikale Moslems
verhalten sich heute wie Christen in diesen vergangenen Zeiten. Besonderes
radikale Sunniten; sie befinden sich nicht nur im Krieg mit den Ungläubigen,
d.h. den Nicht-Moslems, sondern auch mit den Shiiten, den Sufis, den Aleviten,
Ismaeliten, den Drusen und Anhängern anderer moslemischer Sekten.
Das
Aufkommen des Kapitalismus, die Ausbreitung der Bildung und der
wissenschaftlichen Forschung in der westlichen christlichen Welt ebnete den Weg
für mehr und mehr Säkularismus. Der deutsche Nationalökonom Max Weber verband
den Calvinismus mit dem Aufstieg des Kapitalismus. Calvinismus wurde ein
einflussreicher Faktor bei der Modernisierung der Religion.
Während und
nach der industriellen Revolution und der Nationalstaatenbildung begannen die
Menschen in England sich selbst als Engländer zu empfinden, bevor sie sich als
Protestanten fühlten, und in Frankreich betrachteten sie sich selbst an erster
Stelle als Franzosen.
Von der
arabischen und moslemischen Welt lässt sich insgesamt nichts dergleichen sagen.
Auf das Goldene Zeitalter (700-1300) folgten fünf Jahrhunderte osmanischer
Herrschaft, gekennzeichnet durch Despotie, elende Rückständigkeit und Armut.
Die Mehrheit der Araber hielt sich selbst an erster Stelle für Moslems.
Arabische Staaten existierten nicht, bis die europäischen Kolonialmächte diese
Staaten schufen, indem sie willkürliche Grenzen auf der Landkarte zogen.
Während des
Goldenen Zeitalters erstreckte sich das moslemische Reich von Spanien bis
Indonesien – ein Reich, das die Bildung förderte, kritische Gelehrte duldete,
in dem wissenschaftliche Bücher übersetzt und aufbewahrt wurden. (1)
Danach, als
der Westen aufstieg und Gesellschaften auf der Basis persönlicher,
wissenschaftlicher und religiöser Freiheit zu errichten begann, bedeutete das
den Rückzug der arabisch-moslemischen Kultur.
Historiker
erzählen die Geschichte von Mirza Abu Talib. Nachdem er das Unterhaus in London
besucht hatte und hörte, dass dort über die Strafen für Kriminelle diskutiert
wurde, war er erstaunt und berichtete später, als er wieder zu Hause war,
seinen Freunden, die Engländer hätten keine Scharia, weshalb sie ihre eigenen
Gesetze machten. “Wie dumm!” war der Kommentar von Abu Talib.
Seitdem sind
Araber und Moslems dort stehengeblieben, wo die Europäer im 11. Jahrhundert waren,
ohne Nationalgeschichte, politische und ökonomische Entwicklung auf dem Weg zur
Demokratie, und der Versöhnung von Religion und Freiheit. Nach der
Unabhängigkeit im 20. Jahrhundert, besonders während des Kalten Krieges, wurden
sie von autoritären Regimen regiert, die vom demokratischen Westen aus
geopolitischen Überlegungen geduldet wurden.
Fundamentalistische
Moslems entdeckten den Islam wieder im 20.
Jahrhundert.
(2)
Hassan Al
Banna gründete die Muslimbruderschaft in den späten 1920ern als den „einzigen“
„Pfad“ zur Entwicklung und Gerechtigkeit. Er predigte, dass der Islam die
Lösung sei und dass es kein besseres Gesetz auf der Welt gebe als die Scharia,
das beides umfasst, Koran und Hadith. Al Banna betonte, dass die Scharia eine
grosse Sammlung heiliger Gesetze enthalte, die vorschreiben, wie Moslems ihr
weltliches und religiöses Leben zu führen hätten.
Während die
Mehrheit der Christen und Juden in der modernen Geschichte die schlimmen
Texstellen in Bibel und Talmud ausser Acht lassen, besonders jene, die Frauen
erniedrigen und diskriminieren, und sie im historischen Kontext interpretieren,
unterschreiben fundamentalistische Moslems alles und jedes an abscheulichen
Stellen in Koran und Hadith als geheiligte Gesetze. Siehe solche Stellen aus
der Bibel und dem Koran am Ende dieses Artikels.
Während
Christentum und Judentum einen Modernisierungsprozess durchmachten und ihre
eigenen Religionen “zivilisierten” wie Rolf Schieder es ausdrückte, hat der
Islam niemals einen solchen Prozess durchgemacht, weder im goldenen Zeitalter
noch in der Neueren Zeit. Alle Bestrebungen dazu werden abgewürgt ehe sie das
Tageslicht erblicken. Einflussreiche Kreise des religiösen Establishments wie
die Al Azhar und der Wahabismus widersetzen sich jeder Reform oder Modernisierung.
Sie hangen unnachgiebig sowohl am Koran als am Hadith als heiligen
Schriften, der man weder re-interpretieren kann noch soll. Kritische
Interpretationen werden als Blasphemie zurückgewiesen und ihre Urheber werden
als Häretiker verfolgt.
Arabische säkulare
Regime wie das von Nasser in Ägypten, Assad in Syrien und Saddam Hussein im
Irak bekämpften die moslemischen Fundamentalisten erbittert, aber sie haben
niemals die Modernisierung des Islam ermutigt. Niemand wagte den Islam zu
reformieren. Das religiöse Establishment war immer extrem konservativ.
Jedoch haben
alle arabischen Staaten ausser Saudi-Arabien weithin die Scharia als Quelle der
Gesetzgebung ignoriert und westliche Gesetze übernommen. (3)
Selbst unter
der Herrschaft des türkischen Führers Kemal Atatürk gab es keinerlei
Anstrengungen, den Islam zu modernisieren. Atatürk konzentrierte sich darauf,
die Türkei zu einem modernen säkularen Staat zu machen. Damit marginalisierte
er einfach den Islam, aber er drängte nicht auf seine Modernisierung.
Aufgeklärte moslemische Gelehrte gab es zu dieser Zeit in der Türkei nicht. (4)
Angesichts
der Tatsache, dass die Mehrheit der einflussreichen arabischen “Ulema”
(islamische Theologen) heute Konservative sind, die kaum ein Buch lesen ausser
dem Koran und dem Hadith und ähnlich relevanten Werken, so wie der Mangel an
moderner unabhängiger Wirtschaft, und der Tatsache, dass mehr als 50% der
Bevölkerung Analphabeten sind und arbeitslos und in kläglicher Armut lebt,
wurden keine ernsthaften erfolgreichen Anstrengungen unternommen, den Islam zu
reformieren – d.h. ihn zu modernisieren. Fundamentalistische Fatwas (Edikte)
beherrschen die religiöse Szene in der arabischen und moslemischen Welt.
Selbst
Islamexperten wie Muhammad Arkoun, Muhammad Iqbal, Malik Bin Nabi, Muhammad
Talbi, Falzur Rahman und Ali Bulac, die zumindest in westlichen akademischen
Zirkeln als Modernisierer/Reformer bezeichnet werden, wagten es nicht, die
abscheulichen Textstellen im Koran als inakzeptabel und irrational im 20.
Jahrhundert anzutasten. Sie betonen jene Stellen im Koran, die Barmherzigkeit
und Frieden predigen und ignorieren die Stellen, die ausdrücklich zu Hass und
Gewalt anstacheln.
Den
radikalen Islam militärisch zu bezwingen hat auch nicht funktioniert. Nasser,
Assad, und erst kürzlich der Westen schafften es nicht, den radikalen Islam zu
besiegen. Im Gegenteil, aus den meisten Geheimdienstberichten geht hervor, dass
die Zahl der radikalen Moslems zunimmt.
Auch
Atatürks Experiment schlug fehl. Islamisten gewinnen in der Türkei zunehmend an
Boden, und die Türkei wird islamisch konservativer denn je.
Der
Islamismus breitet sich sehr schnell aus, obwohl in der Praxis das
fundamentalistische Projekt hohl ist und eine Achillesferse hat. Seine Anhänger
ignorieren die Tatsache, dass das Goldene Zeitalter eine Blütezeit war wegen
seiner Offenheit gegenüber anderen Kulturen und der Toleranz. (5)
Der
utopische Traum von der Errichtung eines moslemischen Staates, der moslemischen
Umma (globale Nation), wie er im Goldenen Zeitalter existierte, ist
Wunschdenken in einer zunehmend hochentwickelten Welt. Ausser dem Kopftuch, der
Geschlechter-Trennung, den Suicid-Bombern, haben die Islamisten nichts
Substantielles anzubieten.
In der Tat
waren es dieselbe Sorte radikaler Moslems, die zum Zusammenbruch des goldenen
Zeitalters beitrugen, als sie die Tür zuschlugen angesichts des Gebrauchs der
Vernunft und des unabhängigen Denkens. (6)
In
Wirklichkeit fürchten die Islamisten freie Debatten und die Freiheit der
Meinungsäusserungen, durch die sie vorgeführt wurden. Was bleibt, ist Gewalt,
das einzige „Argument“, über das sie verfügen.
Inzwischen
haben sie es geschafft, den Westen einzuschüchtern und Apologeten zu
rekrutieren. Die dänischen Mohammedkarikaturen, die Bemerkungen des Papstes in
Deutschland und die Absetzung der Opfer Idomeneo sind nur ein paar Beispiele.
Der Westen
sieht sich einem unvorhergesehen Rätsel gegenüber. Während er Freiheit der Rede
als unschätzbaren und unverhandelbaren Wert hochzuhalten vorgibt, schaut er
passiv zu, wie die Islamisten mit Töten und Verstümmeln Einschüchterung
verbreiten und ihre destruktive theokratische Agenda vorantreiben, auch in
westlichen Gesellschaften.
Die
Strategie der Islamisten ist ganz klar: sie teilen die Welt in „wir und sie“
und begründen das propagandistisch mit Huntingtons „Kampf der Kulturen“. Sie
geben “ihnen”, dem Westen, die Schuld an der Verbreitung der Armut in der
moslemischen Welt. Kürzlich behaupteten sie, die internationale Finanzkrise
habe die moslemischen Länder nicht betroffen, wie Saudi-Arabien, Kuwait und die
VAE, die offensichtlich „islamische Finanzregeln“ beachteten. Diese Behauptung
ist durch die Realität von Grund auf widerlegt. Auch „moslemische Länder“
leiden unter der gegenwärtigen Krise. Grosse Summen von Petrodollars wurden in
diese Staaten gepumpt, um die immensen Verluste ihrer Bürger auszugleichen.
Hinzu kommt,
dass das U.S. State Department wiederholt die arabischen ölreichen Länder
aufforderte, ihre “Wohltätigkeitsorganisationen“ daran zu hindern, die
Terrororganisationen zu finanzieren.
Bei alledem
kann der Westen seine Hände nicht in Unschuld waschen. Auf die eine oder die
andere Art trug er zum Aufstieg und der Ausbreitung des Islamismus bei. Er
arbeitete eifrig daran, den arabischen Nationalismus zu durchkreuzen und die
Verbreitung des Sozialismus während des Kalten Krieges zu stoppen. Die
Kooperation zwischen Islamisten und dem Westen erreichte ihren Höhepunkt, als
letzterer massiv die Taliban unterstützte, um die sowjetischen Truppen aus
Afghanistan zu verdrängen, worauf der Aufstieg von Osama bin Laden folgte.
Der Weckruf
vom 11. September war ein unvorhergesehener Schock für Amerika und den Westen,
ein Schlag, der diese Mächte durcheinander brachte und im Schlamassel
zurückliess. Und in diesem Schlamassel wollen sie nicht wahrhaben, dass sie
ernten, was sie gesät haben, dass sie den falschen Bundesgenossen
unterstützten. Schlimmer noch, sie wollen auch keine Lehren ziehen aus ihrer
faulen Aussenpolitik gegenüber den arabischen Staaten und der moslemischen
Welt.
Noch bis
heute, wo der Westen die desolate Menschenrechtslage in China, Russland und
Zimbabwe beanstandet, ignoriert er die katastrophale Situation in
Saudi-Arabien, Ägypten und Jordanien.
Nach 9/11
wurde Huntingtons Konzept des “Clash of Civilizations” sowohl von Moslems wie
einigen Nicht-Moslems für ihre Zwecke benutzt. In Wahrheit existiert ein
solcher Zusammenstoss der Kulturen nicht. Er findet vielmehr zwischen
Islamisten und dem Rest der Welt statt. Dennoch tendieren Moslems, die vom
Westen enttäuscht sind, weil er die arabischen totalitären Regime unterstützt,
dazu, diesen Kampf der Kulturen zu befürworten.
Die Mehrheit
der Moslems rund um den Globus sind gewöhnliche Menschen. Einige von ihnen sind
sehr religiös, und andere weniger. Jedoch dank der Tatsache, dass über 50% der
moslemischen Bevölkerung Analphabeten sind, und in Anbetracht der Tatsache,
dass der Koran in altarabisch geschrieben ist, verstehen wirklich sehr wenige
unter ihnen dieses Buch. Übrigens zeigen einige Untersuchungen, dass nur 10% der
Männer und 5 % der Frauen den Koran lesen.
Daher nimmt
die Mehrheit der Moslems die abscheulichen Stellen in Koran und Hadith gar
nicht wahr. Sie wissen nur, was ihnen ihre Imame und religiösen Führer über den
Islam erzählen. Moslems, denen diese Stellen bekannt sind, verhalten sich wie
aufgeklärte Christen und Juden; sie ignorieren sie oder interpretieren sie für
sich im historischen Kontext.
Der Kern des
Problems liegt im Grunde in den saudischen Schulen und Madrassen in
moslemischen Gemeinschaften, die Hass lehren, Diskrimierung und Gewalt gegen
Frauen und Nicht-Moslems. In einigen dieser Schulen werden Teenager genötigt,
den Koran auswendig zu lernen von der ersten bis zur letzten Seite. Der Inhalt
und die Sprache der Schriften werden als einzigartig und göttlich gepriesen.
Schüler dieser Schulen werden eine leichte Beute für lokale Militante, die dort
hin und wieder einsickern um Terroristen zu rekrutieren. (7)
Verse wie 89
von Sure 4, die sagen: „Ergreift sie und tötet sie wo immer ihr sie findet“, werden
ein mächtiges Werkzeug zu rechtfertigen, was nicht zu rechtfertigen ist.
Die
Modernisierung des Islam muss von der Basis der Bevölkerungspyramide ausgehen.
Der Kampf muss an zwei Fronten geführt werden: an der ökonomischen Front und an
der Medienfront der Informationen.
Ökonomische
Entwicklung, Jobs, Alphabetisierung, normale Schulen und Gesundheitsversorgung
würden einen Unterschied ausmachen und die Leute befähigen, den radikalen
Islamisten zu widerstehen. Meinungsfreiheit würde diesen Prozess unterstützen.
Ein ökonomisch unabhängiger Bürger, selbst von bescheidenem Bildungsgrad, ist
in der Regel vernünftig. Bis dahin ist noch ein langer und dorniger Weg zum
Ende des Tunnels. Dieses Projekt ist kostspielig, aber vielversprechend. Es
müssen alle Anstrengungen unternommen werden. Es ist der Mühe wert, wenn die
Welt überall Frieden und Wohlstand erreichen will. Und es muss überall
eingeführt werden in einer zunehmend globalisierten Welt.
Aber,
realistisch gesprochen, weder die arabischen und islamischen Regime noch ihre
religiösen Establishments werden zurzeit irgendwelche Reformen des Islam in
einem freien und demokratischen Klima zulassen. Das würde Selbstmord für
sie bedeuten. Deshalb muss die Reform des Islam noch zwei oder drei Jahrzehnte
warten müssen, bis das zu verwirklichen ist.
Der Westen,
voran die USA, könnten den Reformprozess beschleunigen helfen, die
Weltgemeinschaft muss die Moslemstaaten unter Druck setzen, den Islam zu
reformieren.
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