- Gotteslästerung möge wieder härter bestraft werden. Im Sinne der Integration. In einem Zeitungsbeitrag hat sich ein Bonner Rechtsprofessor dafür ausgesprochen, den Paragrafen 166 zu verschärfen.
Eine Kausalität zwischen
"Religionsdiffamierung" und mangelnder Bereitschaft zur Integration
herzustellen bedeutet eine Aufforderung an die Mehrheitsgesellschaft, die
Regeln der Parallelgesellschaften anzuerkennen und sich diesen anzupassen, um
den Angehörigen dieser Minderheit die Integration zu erleichtern. 400 Jahre
nach Giordano Bruno, der in Rom verbrannt, und Baruch Spinoza, der von den
Juden exkommuniziert wurde, 200 Jahre nach Voltaire und 100 Jahre nach Oskar
Panizza, der noch 1895 zu einem Jahr Haft wegen "Gotteslästerung"
verurteilt wurde, ist eine solche Aufforderung ein Verrat an allen Werten der
Aufklärung. Und nutzlos dazu.
Denn sollte - was Gott verhüten möge - eines
Tages die Diffamierung der Religion ein Straftatbestand werden, müsste noch
immer definiert werden, wo der Tatbestand anfängt und wo er aufhört. Schon
heute soll es Menschen geben, die sich in ihren religiösen Gefühlen verletzt
fühlen, weil ihren Kindern separate Gebetsräume in Schulen verweigert werden.
Oder weil sie mit einem Kopftuch nicht als Krankenschwester arbeiten dürfen.
Oder weil in Kantinen Schweinefleisch angeboten wird. Auf solche
Empfindlichkeiten kann man Rücksicht nehmen, man muss nur wissen, was man damit
aufgibt: die säkulare Gesellschaft. Auch die Annahme, man würde damit die Integration
erleichtern, ist mehr als irrig. Zumal uns immer wieder versichert wird, die
Integrationsverweigerung habe keine religiösen Ursachen, sie sei vielmehr ein
kulturelles und soziales Problem.
Die «Gotteslästerung» hat
natürlich nichts mit der Religion zu tun, und wenn erst die ersten
Gotteslästerer oder Ungläubigen hingerichtet werden in der Schweiz, dann hat
das nichts mit dem toleranten Islam zu tun, sondern nur mit besonders eifrigen
Einzeltätern. Die willigsten Helfer des kommenden Gottesrechts sind nicht
zufällig wieder die Juristen, die schon einmal einem unheimlichen Rechtssystem
in Deutschland den Weg geebnet haben, bei dem auf Regimekritik der Tod stand,
wie im Islam auf Religions-Kritik «Kopf-ab» steht.
Dazu
fällt mir nur noch Flemming Rose ein, der jüdische Redaktor
von Jyllands Posten, der die Mohammed-Karikaturen in Auftrag gegeben
hatte als ein Beispiel von Meinungs- und Pressefreiheit wider die lähmende
Angst, die der Religionsterror des Islam verbreitete, und die er mit dem
klassischen Satz verteidigte: "Ideologien haben keine Schutzrechte".
·
DIE WELT: Ich habe als Student und dann als
Korrespondent in der Sowjetunion gelebt. Bei dem, was unter der Mohammed-Krise
geschah und auch jetzt wieder passiert, kann ich Muster von damals
wiedererkennen. Damals war die Kritik an der sowjetischen Lebensweise, am
Marxismus-Leninismus kriminalisiert. Heute soll die Islamkritik verboten
werden. Ideologien haben aber keine Schutzrechte, sie sind da, um kritisiert zu
werden. Menschen haben Rechte, nicht aber Ideen. Diejenigen, die sagen, man
solle nicht kränken, oder die Kränkung religiöser Gefühle verbieten wollen,
verstehen nicht, dass ihre Argumente im Nahen Osten gebraucht werden, um
Andersdenkende zum Schweigen zu bringen.
·
DIE WELT: In welcher Weise?
·
ROSE: In Ägypten sitzt ein
Blogger im Gefängnis, angeblich, weil er den Islam gekränkt hat, aber in Wirklichkeit
wegen Regimekritik. In Afghanistan ist ein Journalist zum Tode verurteilt
worden, weil er Material hatte, das Kritisches zur Frauensicht des Propheten
beinhaltete. Die Gesetze werden gebraucht, um Andersdenkende zu
kriminalisieren. Diejenigen, die Kränkungen kriminalisiert sehen möchten, haben
viel Macht. Sie können andere beeinflussen. Es gibt so viele Beispiele von
Selbstzensur in Verbindung mit dem Islam. Zuletzt wurde die Ausstellung der
dänischen Künstlergruppe Surrend in Berlin geschlossen, weil Gewalt befürchtet
wurde. Die Meinungsfreiheit ist bedroht, und
mich wundert, dass viele das nicht
sehen.
(In England waren es übrigens der
oberste Richter Lord Phillips
of Worth Matravers, sowie der oberste Primat der anglikanischen Kirche, Dr.
Rowan Williams, die die Scharia anerkennen wollten, zunächst «nur» im
Familienrecht, d.h. vorerst nur für die Frauen...
Lord Phillips oder Baron Worth of
Matravers trat 2012 als Richter am Obersten Gerichtshof des Vereinigten
Königreichs in den Ruhestand und übernahm das Amt des Vorsitzenden Richters am Qatar International Court in Doha.)
In der Schweiz gibt es schon
einen Blasphemieparagraphen, der sich zwar nicht so nennt, sondern als Rassismus-Strafnorm 261bis StGB
bekannt ist, aber wie ein Gotteslästerungsgesetz funktioniert und die Religion
als Rasse unter Naturschutz stellt und die Medien am Gängelband hält. Vor
Volksabstimmungen wird die Meinungsschraube gelockert, aber wenn erst die
direkte Demokratie dank den EU-Richtern abgeschafft ist, wird die Schraube
angezogen.
Flemming Rose wunderte sich noch, dass viele nicht sehen, wie bedroht die
Meinungsfreiheit ist. Auch Journalisten bekanntlich nicht, die die Regeln der
Scharia schon einhalten. Alles nicht so neu. Es ist immer nur eine winzige
Minderheit, die auf dem Recht der Kritik an einem System, das sie am stärksten
bedroht, besteht. Der Islam ist so ein Religionssystem, das auf Terror beruht,
Terror gegen Abtrünnige und Ungläubige, gegen Abweichler und Kritiker. Wie der
vorauseilende Gehorsam gegenüber dem Terror funktioniert, das demonstrierte
einmal ein Interview mit Salman Rushdie. Der Interviewer (Weltwoche) hiess
Müller. Er fragte Rushdie, ob er immer wisse, was gut und böse sei. Rushdie
fragte zurück: «Sie nicht?» Dieser Müller hätte wohl gern gehört, dass Rushdie
ob dieser Frage, die der Interviewer damit begründete, er, Müller, denke eben
mehr als Rushdie, in sich gegangen wäre und etwa folgendes erklärt hatte: Nein,
er wisse das nicht immer, er habe da so seine Zweifel, ob seine Satanischen
Verse hätten erscheinen dürfen, er sehe das jetzt viel differenzierter im
Lichte dieser differenzierten Frage, und frage er sich, ob er nicht doch den
Tod verdient habe. Das hätte Herr Müller, der sich für einen grossen Schweizer
Denker hält (er ist nicht der einzige), wohl zu gerne gehört.
Die Folterinstrumente gegen die Meinungsfreiheit sind darauf spezialisiert,
die Religionsverfolgten und Mordbedrohten zur Einsicht bringen, ihre Schuld
auch einzugestehen. Ein Gefolterter, der nicht gesteht, ist für die
Meinungsüberwacher weniger befriedigend.
Kommentare