Einwanderung: Das Ende der Illusion



Von Géza Jeszenszky

Ein Teil der Science-Fiction-Romane meiner Jugend malte eine verheissende Zukunft an die Wand: eine aufgeklärte Weltregierung, die harmonische Kooperation von Menschen verschiedener Hautfarben, eine Fülle an Gütern, die freiwillige Einschränkung des Konsums. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte es den Anschein, als würden sich die Vereinigten Staaten und Westeuropa in diese Richtung bewegen.

Als ich in den 1960er Jahren als Student nach Grossbritannien reiste, überraschten mich schon in München die vielen Türken und in Paris die vielen Araber und Afrikaner. Nachdem ich einige Wochen in London verbracht hatte, schien es mir, dass sich die Menschen aus den Kolonien erfolgreich in die eingesessene britische Gesellschaft integrieren konnten.

Zwanzig Jahre später sah ich als Gastprofessor in Kalifornien die multikulturelle Utopie Wirklichkeit werden: weisse, schwarzafrikanische, asiatische, jüdische Professoren an den Universitäten und Schulen, Kirchen aller möglicher Glaubensrichtungen, mexikanische Arbeiter auf den Feldern und eine wachsende Zahl an Mexikanern unter den Studenten, eine Vielfalt an nationalen Speisen und in den Schulen eine Erziehung, die Freundlichkeit und Vorurteilslosigkeit zum Inhalt hatte. Um die Jahrtausendwende wurde dieses Modell in Westeuropa und Skandinavien scheinbar zur Norm.

Gleichwohl preschten in den vergangenen Jahren die einwanderungsfeindlichen Parteien vor, die eine multikulturelle Gesellschaft in Bausch und Bogen ablehnen. In Finnland ist die Partei der Wahren Finnen, in Norwegen die Fortschrittspartei Mitglied der Regierungskoalition, und in Dänemark wurde die Volkspartei zweitstärkste Kraft bei den Wahlen im Juni. In Schweden wiederum sind die Demokraten heute nur deshalb nicht am Ruder, weil die Sozialdemokraten und Konservativen eine Regierungskoalition bildeten. All dies deutet aber weniger auf eine Ausbreitung des Rassismus hin als vielmehr auf das Ende einer Illusion.


Hoher Einwanderer-Anteil in den skandinavischen Ländern

Trotz des unwirtlichen skandinavischen Klimas haben sich im vergangenen halben Jahrhundert Hunderttausende in den vier nördlichen Ländern niedergelassen. Zu Beginn des laufenden Jahrzehnts belief sich die Zahl der Einwanderer in Schweden auf eineinhalb Millionen, in Norwegen und Dänemark lag sie bei rund einer halben Million. Im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung liegt ihr Anteil in Schweden bei rund 15, in Norwegen und Dänemark bei etwa zehn Prozent.

Alle vier Länder gewährten politisches Asyl auf grossherzige Weise. Schweden steht an der Spitze: Allein im Jahr 2012 nahm das Land knapp fünfzigtausend Zuwanderer aus Syrien, Somalia und Afghanistan auf. Die grössten Integrationsprobleme (einhergehend mit Kriminalität) haben vor allem – aber nicht ausschliesslich – die Einwanderer aus Asien, Afrika und Lateinamerika, was in etwa die Hälfte aller Zuwanderer bedeutet. (Auch aus der ehemaligen Sowjetunion wandern viele Menschen nach Skandinavien aus).

Alle vier skandinavischen Länder haben grosse Anstrengungen unternommen, um die Zuwanderer zu integrieren. Von den Nichteuropäern bleiben viele aber schon der Mittelschule fern, von der Universität ganz zu schweigen. Mehr als die Hälfte haben weder ein Arbeitsverhältnis noch bilden sie sich fort. Vor diesem Hintergrund ist es wenig verwunderlich, dass die Kriminalitätsrate unter diesen Migranten hoch ist – obwohl genaue Statistiken hierzu – zumindest offiziell – nicht zur Verfügung stehen.


Unzufriedenheit der Einwanderer mündet nicht selten in Gewalt

Ganz Skandinavien wurde im Mai 2013 von den Unruhen erschüttert, die in Schweden in mehreren Städten ausgebrochen waren: Maskierte Jugendliche steckten Autos in Brand, plünderten Geschäfte und griffen Polizeikräfte an. Sie drückten ihre Unzufriedenheit aus – oder vielleicht auch nur ihre Langeweile. In Schweden ist die jüdische Gemeinschaft immer wieder Zielscheibe von Angriffen fanatischer muslimischer Einwanderer. In Dänemark kommt es zu blutigen Zusammenstössen zwischen jungen Muslimen und dänischen Motorrad-Banden.

In Anbetracht dieser Situation sollte man sich nicht wundern, dass in Skandinavien die als rechtspopulistisch und rechtsradikal bezeichneten Parteien seit Jahren regen Zulauf haben. Diese Parteien wollen die Einwanderung, die zu schweren gesellschaftlichen Spannungen geführt hat, bremsen. Und sie wollen die verschwenderischen Sozialleistungen für diejenigen, die nicht arbeiten, einstellen.  Was die Wirtschaftspolitik anbelangt, verfolgen sie indes einen liberalen Kurs. Sie sympathisieren ferner mit Israel und verurteilen die Politik Putins – mit der radikalen Rechten in Ungarn wollen sie weder eine ideelle Gemeinschaft noch eine Kooperation eingehen.

Das integrative, multikulturelle Modell ist gescheitert, weil der laute und undisziplinierte Teil jener Massen, die aus anderen Kulturen kommen, das Wohlwollen der Gesellschaften der Gastländer missbraucht hat. Aus diesem Beispiel kann und muss man lernen – jedoch darf man keine vorschnellen und hastigen Entscheidungen treffen.

Der Autor ist ehemaliger Aussenminister Ungarns (1990-1994). Der Text erschien in der konservativen Wochenzeitung Heti Válasz.

Aus dem Ungarischen

von Peter Bognar

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