Türkei: Inhaftierte Journalisten wollen vor Verfassungsgericht ziehen

Can Dündar, Chefredakteur der "Cumhuriyet" (Archivfoto): Von Erdogan angezeigt
Can Dündar, Chefredakteur der "Cumhuriyet" (Archivfoto): Von Erdogan angezeigt

Sie berichteten über angebliche Waffenlieferungen der Türkei nach Syrien - deshalb sitzen zwei Journalisten der Zeitung "Cumhuriyet" in Untersuchungshaft. Die Rechtmäßigkeit des Verfahrens ist zweifelhaft.

Der Chefredakteur der oppositionellen Zeitung "Cumhuriyet", Can Dündar, und sein Büroleiter in Ankara, Erdem Gül, sollen sich der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und Spionage schuldig gemacht haben. Seit bald zwei Wochen sitzen die Journalisten deswegen in der Türkei in Untersuchungshaft - nun soll das Verfassungsgericht über die Rechtmäßigkeit ihrer Inhaftierung entscheiden.

Hintergrund der Anklage gegen Dündar und Gül ist ein Artikel von 2014, in dem die Zeitung von angeblichen Waffenlieferungen der Türkei an Extremisten in Syrien berichtet. Dazu veröffentlichte "Cumhuriyet" Fotos, die das belegen sollten. Die Behörden hatten eine Nachrichtensperre über den Fall verhängt, der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan erstattete persönlich Anzeige. Am 26. November wurde Haftbefehl gegen die Journalisten erlassen.

Nach Auffassung von Dündar und Gül zu Unrecht: Ihre Inhaftierung verstoße gegen die Verfassung, zudem sei ihren Anwälten der Zugang zu den Unterlagen des Verfahrens bislang verweigert worden, schreibt die türkische "Hürriyet".

Vor dem Verfassungsgericht könnten sich die Angeklagten demnach auf Entscheidungen einer höheren Instanz berufen, die des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR).

Der EGMR hatte im Juli entscheiden, dass die Türkei im Fall der beiden Journalisten Ahmet Sik und Nedim Sener das Recht auf freie Meinungsäußerung und einen unabhängigen Gerichtsprozess verletzt hatte. Beide Journalisten waren laut "Hürriyet" mehr als ein Jahr lang in Untersuchungshaft festgehalten worden. Im März 2012 kamen sie wieder auf freien Fuß. Der Gerichtshof beanstandete nachträglich auch die Länge der Untersuchungshaft.

Angriffe auf die Pressefreiheit
"Cumhuriyet" wurde erst vor wenigen Wochen von der Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen als Medium des Jahres ausgezeichnet. Dündar und Gül würden aus "politischen Gründen verfolgt", erklärte die Organisation. Dies sei ein weiterer Beleg für das Bestreben der türkischen Staatsführung, "den unabhängigen Journalismus auszulöschen".

Der Regierung in Ankara werden seit Jahren immer wieder Angriffe auf die Pressefreiheit vorgeworfen. Die Zeitung ist auf striktem Oppositionskurs zur islamisch-konservativen Regierung unter Präsident Erdogan.

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