Bundeswehreinsatz in Mali durchgewinkt: Gefährlicher als Afghanistan

Peter Orzechowski

Der Bundestag hat mit großer Mehrheit – 502 Ja-Stimmen, 66 Nein-Stimmen ‒ die Ausweitung des Bundeswehreinsatzes in Mali beschlossen. Bis zu 650 Mann werden demnach in den Norden Malis entsandt. Es wird der bisher gefährlichste Einsatz für deutsche Soldaten.



Verarmung, Kriminalität und Terrorismus in Mali könnten laut CDU mittelfristig auch starke Auswirkungen auf Europa haben. »Die Probleme in Mali sind unsere Probleme«, sagte Elisabeth Motschmann (CDU), Mitglied im Auswärtigen Ausschuss. Der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Niels Annen, betonte, der Einsatz trüge auch zur Stabilisierung der gesamten Sahel-Region bei. Worum es in Wirklichkeit entgegen der offiziellen Propaganda geht, schildere ich gleich.

Zunächst aber zur Gefahr für unsere Truppen: Es wird wohl der gefährlichste Einsatz der Bundeswehr sein ‒ gefährlicher als Afghanistan. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen: »Nord-Mali ist sehr unruhig, entsprechend gefährlich ist der Einsatz für unsere Soldaten.« 73 Blauhelmsoldaten und UN-Mitarbeiter wurden dort bis Ende 2015 getötet.

Kurz vor der Bundestagsabstimmung wurde bei einem Angriff auf einen Konvoi der malischen Armee mindestens ein Soldat getötet. Eine Gruppe Bewaffneter überfiel ein Nachschubfahrzeug im Ort Ambaradjou bei der Stadt Timbuktu, die 300 Kilometer vom künftigen Bundeswehrstandort entfernt ist.

An der »Multidimensionalen Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali« (Minusma) sind bisher nur zwölf deutsche Soldaten im Hauptquartier in der Hauptstadt Bamako beteiligt. Nun sollen zunächst rund 400 Soldaten nach Gao im Norden geschickt werden, wo die Rebellen weiterhin Anschläge verüben. Der Norden Malis war vor drei Jahren vorübergehend in die Hände islamistischer Kämpfer gefallen, die nur durch eine Intervention der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich zurückgedrängt werden konnten. Die Gewalt nimmt trotz des Friedensabkommens aber kein Ende.

Die deutschen Soldaten sollen zur Durchsetzung eines Friedensabkommens zwischen Regierung und Rebellengruppen beitragen. Ihre Hauptaufgaben werden Aufklärung mit Drohnen und Spähfahrzeugen sowie der Objektschutz sein. Die Soldaten sollen die teils islamistischen Aufständischen zwar nicht aktiv bekämpfen. Dass sie in Kämpfe verwickelt werden, ist aber nicht ausgeschlossen. Unter den Objektschützern befinden sich auch Scharfschützen.

Worum es in Mali geht

Mali war lange eine Musterdemokratie in Afrika – blieb aber eines der ärmsten Länder der Welt. Nachdem infolge des Bürgerkrieges in Libyen 2011 viele Waffen und Kämpfer zum halbnomadischen Tuareg-Volk im Nordosten Malis gelangt waren, griffen dessen Kämpfer im Januar 2012 die Regierung an und forderten Unabhängigkeit für ihre Gebiete. Weil es der Regierung nicht gelang, die Tuareg schnell niederzuschlagen, meuterten bald Regierungssoldaten – was sich im März 2012 zu einem Putsch auswuchs.

Militär und Übergangsregierung bekamen die eskalierenden Kämpfe nicht mehr unter Kontrolle. Vor allem islamistische Gruppen breiteten sich aus, zerstörten Teile der berühmten Oasenstadt Timbuktu und errichteten dort ein Terrorregime. Die Ex-Kolonialmacht Frankreich griff Ende 2012 militärisch ein; am 20. Dezember 2012 sprach sich der UN-Sicherheitsrat einstimmig für einen Einsatz aus.

Der Staat in Westafrika, der dreimal so groß ist wie Deutschland, weckt bei der derzeit sich beschleunigenden Aufteilung der Welt Begehrlichkeiten: Da ist einmal die für die USA und China immer wichtiger werdende Frage der Anbaugebiete. Wenngleich aufgrund klimatischer Umstände lediglich 3‒3,5 Millionen Hektar genutzt werden können, hat die Landwirtschaft Malis ein großes Potential.

Des Weiteren hat das Land bedeutende Bodenschätze. Obwohl der Goldreichtum Malis bereits im Altertum legendär war, ist der dortige Bergbau ein relativ junger Wirtschaftszweig. Die ersten Explorationen wurden in den 1980er-Jahren durchgeführt, in den 1990er-Jahren begann die stürmische Entwicklung der Goldgewinnung. Heute ist Mali der drittgrößte Goldproduzent Afrikas nach Südafrika und Ghana. Jährlich werden bis zu 50 Tonnen Gold gewonnen, die Reserven werden auf 800 Tonnen geschätzt.

Neben Gold lagern weitere Rohstoffe im Boden, dazu gehören geschätzte 20 Millionen Tonnen Phosphate, 40 Millionen Tonnen Kalk, 53 Millionen Tonnen Steinsalz, 1,2 Milliarden Tonnen Bauxit, 2 Milliarden Tonnen Eisenerz, 10 Millionen Tonnen Mangan, 10 Milliarden Tonnen Ölschiefer, 60 Millionen Tonnen Marmor, 5000 Tonnen Uran und 1,7 Millionen Tonnen Blei und Zink (alle Zahlen bei wikipedia). Aufgrund schlechter Infrastruktur und Energieversorgung sind diese Rohstoffe bislang zwar geologisch erfasst, aber nicht erschlossen.

Und ein dritter geopolitischer Faktor: An Mali grenzen unter anderem Senegal im Westen, Guinea im Südwesten und die Elfenbeinküste (Côte d’Ivoire) im Süden. Damit ist Mali Nachbar des größten Öl-Eldorados des 21. Jahrhunderts: Westafrika.

China und Russland sind in den jüngsten Jahren ein großer Handels- und Entwicklungspartner Malis geworden. Außerdem wurde Moskau einer der wichtigsten Lieferanten an Waffen und anderer militärischer Ausrüstung für Malis Regierung in ihrem Krieg gegen den Terrorismus 2013.

Die Entsendung von Bundeswehrtruppen ist ein klares Signal der USA und der NATO an die Adresse Moskaus und Pekings, dass das westliche Bündnis entschlossen ist, den Kampf um die weltweiten Ressourcen mit allen militärischen Mitteln zu führen.

Auch mehr deutsche Soldaten in den Irak

Ebenfalls beschlossen wurde am Donnerstag die Ausweitung des Irak-Einsatzes. 441 Bundestagsabgeordnete stimmten mit Ja ab, 81 mit Nein, 48 enthielten sich. Das Irakkontingent soll auf bis zu 150 Soldaten aufgestockt werden. Derzeit bilden rund 100 Soldaten in der kurdischen Stadt Erbil einheimische Kämpfer aus.

Die deutschen Soldaten seien »Teil der internationalen Anstrengungen im Kampf« gegen die Terrororganisation Islamischer Staat (IS). Die Bundeswehr unterstützt die kurdische Peschmerga-Armee seit 2014 mit Waffen und Ausbildung.

Die Rüstungsexporte in das Krisengebiet sind umstritten, weil die Waffen in die falschen Hände geraten können. Zuletzt tauchten auf Waffenmärkten in der Region einzelne Gewehre und Pistolen auf, die wahrscheinlich aus Beständen der Bundeswehr stammen.

Damit beteiligt sich die Bundeswehr am US-Plan der Spaltung des Iraks, der – wie ich schon wiederholt hier berichtete – die Aufteilung des Landes in einen kurdischen, schiitischen und sunnitischen Teilstaat vorsieht.

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