Türkische Staatsanwaltschaft fordert lebenslange Haft für zwei kritische Journalisten


Can Dündar (m.) bei einer Demonstration für Pressefreiheit in der Türkei
Can Dündar (m.) bei einer Demonstration für Pressefreiheit in der Türkei
 
Bei der staatlichen Verfolgung der beiden Journalisten Can Dündar und Erdem Gül hat die türkische Staatsanwaltschaft nun die Anklageschrift vorgelegt. Für das Aufdecken einer Waffenlieferung des türkischen Geheimdienstes MIT nach Syrien drohen Dündar und Gül nun lebenslange Haft. Die Anzeige, die die Ermittlungen ins Rollen brachte, stellte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan persönlich. 
 

473 Seiten umfasst die Anklageschrift der türkischen Staatsanwaltschaft gegen Can Dündar und Erdem Gül. Den beiden Journalisten wird vorgeworfen, „geheime Akten des Staates zum Zwecke der militärischen oder politischen Spionage besorgt zu haben, durch Anwendung von Zwang und Gewalt versucht zu haben, die Regierung zu beseitigen sowie einer bewaffneten Terrororganisation wissentlich und willentlich geholfen zu haben, ohne deren Mitglied zu sein.“

Mit anderen Worten: Landesverrat und gewaltsamer Umsturz. Dafür sollen Dündar, Chefredakteur der Zeitung Cumhuriyet und Gül, der Büroleiter der Zeitung, nun lebenslang ins Gefängnis. "Zweimal erschwerte lebenslange Haft plus 35 Jahre", lautet die Forderung von Staatsanwalt Irfan Fides.

Doch was genau sollen die beiden Journalisten getan haben? Eigentlich nur ihren Job: Im Mai 2015 veröffentlichte Cumhuriyet Fotos von Waffen, die vom türkischen Geheimdienst in einem LKW nach Syrien gebracht werden sollten. Der Fall ereignete sich lange bevor durch den Abschuss einer russischen Su-24 durch das türkische Militär, ein türkisch-russischer Streit entbrannte, infolge dessen die russische Regierung weitere umfangreiche Belege für die Unterstützung des "Islamischen Staates" durch die Türkei vorgelegt hatte.

Mit der Enthüllung der Waffenlieferung, die vom türkischen Geheimdienst MIT als "Hilfsgüter" deklariert wurden, zogen die beiden Journalisten den Zorn des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan höchstpersönlich auf sich. Erdogan erstattete Anzeige und wird im Verfahren - gemeinsam mit seinem Geheimdienst - als Ankläger auftreten.


Zur Prüfung der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft hat das zuständige Gericht nun zwei Wochen Zeit. Neben den beiden Journalisten sind auch die Soldaten angeklagt, die auf einen anonymen Tipp hin besagten LKW durchsuchten und statt Hilfsgüter die Waffenlieferung nach Syrien fanden.

In jüngster Zeit kam es in der Türkei zu zahlreichen Razzien und Verhaftungen, deren Leidtragende kritische Journalisten waren. Momentan befinden sich 33 türkische Journalisten in Haft.

Doch auch Oppositionspolitiker leben gefährlich in der Türkei. Ende letzten Jahres gab der Parlamentarier Eren Erdem RT ein Interview. Darin ging es um die Lieferung chemischer Kampfstoffe seitens der Türkei an den IS. Gegen Erdem ermittelt nun die türkische Justiz. Auch hier lautet der Vorwurf nun Landesverrat.

Angesichts der gebalten Staatsmachtm der sich Dündar und Gül konfrontiert sehen, kann wohl nur noch internationaler Druck die beiden vor der lebenslangen Haft bewahren. Der Autorenverband P.E.N. International ruft daher dazu auf, Protestschreiben an Erdogan zu richten.

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