Türkischer
Präsident will Verfassungsänderung vorantreiben
Ankara
– Äußerungen des türkischen Staatschefs Recep Tayyip Erdogan über das
Regierungssystem in Nazi-Deutschland sind nach Angaben des Präsidialamtes
falsch interpretiert worden. Erdogan habe Hitlers Staat nicht als Beispiel für
ein effizientes Präsidialsystem dargestellt, erklärte das Amt am Freitag.
Erdogan,
der als Präsident mehr Machtbefugnisse und ein starkes Präsidialsystem
anstrebt, wurde nach seinem Besuch in Saudi-Arabien am Donnerstag gefragt, ob
man dies umsetzen könne, wenn man die einheitliche Staatsstruktur des Landes
beibehalte. Darauf hat Erdogan nach einer Aufzeichnung der Nachrichtenagentur
Dogan geantwortet: "Dafür gibt es bereits Beispiele in der Welt. Sie
können das sehen, wenn Sie Hitler-Deutschland anschauen." Auch später habe
es in anderen Ländern Beispiele dafür gegeben.
Präsidialamt:
Aussagen §verzerrt"
Erdogans
Metapher über "Hitler-Deutschland" sei von einigen Nachrichtenquellen
verzerrt und ins Gegenteil verdreht worden, erklärte das Präsidialamt in
Ankara. Mit seinen Bemerkungen habe er zeigen wollen, dass ein Präsidialsystem
auch in einem Einheitsstaat existieren könne und nicht zwangsläufig ein
föderales System brauche und dass weder ein präsidiales noch ein parlamentarisches
System eine Garantie gegen Machtmissbrauch böten. "Wenn das System
missbraucht wird, kann es zu einer schlechten Führung kommen, die in
Katastrophen wie in Hitler-Deutschland enden." Wichtig sei eine gerechte
Führung, die den Interessen der Nation diene. Es sei inakzeptabel, den Eindruck
zu erwecken, Erdogan stelle Hitler-Deutschland in einem positiven Licht dar,
erklärte das Präsidialamt.
Zuvor
hatte schon ein Regierungsvertreter gesagt, die Worte Erdogans seien aus dem
Zusammenhang gerissen worden. "Es gab gute und schlechte Beispiele für
Präsidialsysteme und es ist wichtig, eine Gewaltenteilung einzurichten.
Nazi-Deutschland, wo die angemessenen institutionellen Regelungen fehlten, war
offenkundig eines der schändlichsten Beispiele in der Geschichte", sagte
der Regierungsvertreter.
Verfassungsänderung
geplant
Die
regierende AKP, die von Erdogan gegründet worden war, hat die Änderung der
Verfassung zu ihrem zentralen Thema erklärt, nachdem sie die Mehrheit bei den
Parlamentswahlen im November errungen hatte.
Die
Partei einigte sich mit der führenden Oppositionspartei CHP am Mittwoch, die
Reform der Verfassung voranzutreiben.
Die
Opposition ist sich einig, dass es einer Änderung der Verfassung bedarf, die
nach dem Putsch 1980 eingeführt worden war und die Handschrift der
militärischen Verfasser trägt. Die Parteien unterstützen aber kein
präsidentielles System wie von Erdogan anvisiert. Sie fürchten, dass sich
dadurch zu viel Macht auf einen autoritären Führer konzentriert. (Reuters, red,
1.1.2016) - derstandard.at/2000028343273/Erdogan-Hitlers-Deutschland-beispielhaft-fuer-effektives-System
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