Der saudi-arabische Kronprinz Mohammed bin Salman hat überraschend eine muslimische Anti-Terror-Allianz ausgerufen. Könnte das die Lösung im Kampf gegen den Islamischen Staat sein? Oder verfolgt der Prinz am Ende ganz andere Pläne? FOCUS Online hat Experten gefragt, wie viel Substanz Mohammeds Vorschlag hat.
34 muslimische Staaten wollen jetzt die Terrormiliz „Islamischer
Staat“ bekämpfen. Das zumindest verkündete der saudi-arabische Kronprinz
Mohammed bin Salman am Dienstag auf einer Pressekonferenz. Doch ist es
den Saudis ernst mit dem Kampf gegen den Terror? Oder verbirgt sich
hinter der muslimischen Anti-Terror-Allianz eine ganz andere Strategie?
FOCUS Online hat bei Nahost-Experten nachgefragt.
„Die islamische Welt ist gespalten. Es ist unmöglich die verschiedenen Länder in einer Front gegen den Terror zu vereinen, da sie sich untereinander zutiefst misstrauen“, sagt Nahost-Experte Abdel Mottaleb El Husseini zu FOCUS Online. Husseini vermutet hinter der saudischen Bekanntgabe vor allem eine Botschaft an den Westen: Dessen Politiker werfen Saudi-Arabien immer wieder mangelnde Distanzierung zu islamistischem Terror vor.
„Die islamische Welt ist gespalten. Es ist unmöglich die verschiedenen Länder in einer Front gegen den Terror zu vereinen, da sie sich untereinander zutiefst misstrauen“, sagt Nahost-Experte Abdel Mottaleb El Husseini zu FOCUS Online. Husseini vermutet hinter der saudischen Bekanntgabe vor allem eine Botschaft an den Westen: Dessen Politiker werfen Saudi-Arabien immer wieder mangelnde Distanzierung zu islamistischem Terror vor.
Im Video: Klartext zu Terrorfinanzierung: Mit diesem Satz macht Gabriel in den USA Schlagzeilen
Zuletzt hatte SPD-Chef
Sigmar Gabriel in einem Interview Saudi-Arabien indirekte
Terrorfinanzierung vorgeworfen. Die Anti-IS-Koalition könnte als eine
Art Befreiungsschlag gegen solche Vorwürfe gemeint sein, sagt
Nahost-Experte Husseini: „Mit der Allianz will der Kronprinz nun
demonstrieren, dass die Saudis auch etwas gegen den IS tun.“
Weder Iran noch der Irak sind in dem Bündnis vertreten
Ein
weiteres Manko des Bündnisses: Der Iran ist nicht darin vertreten. Das
ist wenig verwunderlich: Saudi-Arabien und der Iran seien Erzfeinde, so
Husseini. Für das Bündnis ist das aber schlecht. Denn: „Ohne eine
Kooperation mit dem Iran ist der Islamische Staat nicht zu besiegen."
Für
den Nahost-Experten Oliver Ernst ist das Bündnis deshalb zum Scheitern
verurteilt: Den schiitischen Iran außen vor zu lassen, macht das Bündnis
zu einem sunnitischen. Und das könnte den Graben zwischen sunnitischen
und schiitischen Muslimen weiter vertiefen, fürchtet der Experte. Dem
Kampf gegen den IS wäre das wohl kaum zuträglich. Hinzu kommt: Weder Syrien noch Irak
gehören dem Bündnis an - und das sind eben die Länder, in denen der IS
hauptsächlich wütet. Wie weit kann eine Allianz kommen, an der die
Hauptbetroffenen nicht beteiligt sind?
Die
fehlenden Ländern sind auf jeden Fall ein großer strategischer Nachteil
des Saudi-Bündnisses. Aber dafür muss man Saudi-Arabien zugestehen: Das
Land hat ein ehrliches Interesse am Kampf gegen den IS. Es gibt
durchaus konservative Saudis, die der Ideologie der Terrormiliz
zugeneigt sind. Einige unterstützen sie vermutlich auch finanziell. Für
das saudi-arabische Königshaus, das für seine politische Annäherung an
den Westen bei seiner Bevölkerung immer wieder in die Kritik gerät, ist
der IS deshalb ein großer Unsicherheitsfaktor: Was, wenn sich Teile der
Bevölkerung unter IS-Einfluss radikalisieren – und womöglich sogar
versuchen, das für ihren Geschmack zu moderate Königshaus zu stürzen?
Wichtige Fragen bleiben offen
Der
saudische Kronprinz hat also ein nachvollziehbares Interesse daran, zum
Kampf gegen den IS zu blasen. Trotzdem ließ Prinz bin Salman viele
Fragen offen: „Hinter dem Ausruf stehen keine konkreten Tatsachen oder
Pläne. Über die Bekämpfungsstrategie und Gegner wird nichts Konkretes
gesagt“, so Nahost-Experte Husseini zu FOCUS Online. Auch über die
Finanzierung des militärischen Projekts sei noch nichts bekannt.
„Saudi-Arabien hat viel Geld in den Krieg im Jemen investiert, ob das Land nun auch noch ein Anti-Terror-Bündnis finanzieren würde ist völlig unklar“, so Husseini.
Kommentare