Schlaglicht auf Zustände in Ägypten: Foltertod eines Italieners

Kairo ist unter Druck, den Tod des italienischen Forschers Giulio Regeni aufzuklären. Das Problem ist, dass die Sicherheitskräfte selber verdächtigt werden.
  • von Monika Bolliger, Beiru

Ein gebrochener Halswirbel dürfte die Todesursache von Giulio Regeni gewesen sein, einem italienischen Doktoranden der Universität Cambridge, der am 25. Januar in Kairo spurlos verschwand – am Tag des fünfjährigen Jubiläums der Revolution. Die Leiche des 28-jährigen kam erst Tage später zum Vorschein. Die italienischen Behörden haben nach den ägyptischen eine zweite Autopsie durchgeführt, nachdem der Leichnam Regenis nach Rom überstellt worden war. Man scheint den ägyptischen Behörden nicht zu vertrauen – mit gutem Grund. Denn es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Mörder Regenis Mitglieder der Sicherheitskräfte waren.

«Unmenschliche Gewalt»

Der italienische Innenminister Angelino Alfano sprach am Sonntag von unmenschlicher Gewalt, die Regeni erlitten habe. Er sei immer noch schockiert von den Ergebnissen der Autopsie. Italienische Medien berichteten unter Berufung auf Quellen aus dem Umfeld der Gerichtsmediziner, dass Regenis Nacken gewaltsam traktiert wurde, was zum Bruch des Halswirbels führte. Zudem wurden diverse andere Knochenbrüche festgestellt. Ein anonymer Beteiligter der ägyptischen Autopsie hatte von Schlägen, Messerstichen und Brandwunden von Zigaretten berichtet. Die vollen Ergebnisse der italienischen Autopsie sollen in einigen Tagen zur Verfügung stehen.

Folter ist seit Jahrzehnten eine gängige Praxis in ägyptischer Haft. Seit vergangenem Jahr haben Menschenrechtsorganisationen ausserdem zahlreiche Fälle von Verschwindenlassen dokumentiert. 2015 sind mehr als 300 Personen ohne Nachricht über ihren Verbleib verschwunden. Die meisten sind später in einem Gefängnis wieder aufgetaucht. In einigen Fällen mussten Angehörige ihre Liebsten jedoch im Leichenschauhaus abholen, die toten Körper von Folterspuren gezeichnet.

Beobachter in Ägypten sowie offenbar auch die italienischen Behörden vermuten, dass Regeni Opfer dieser Praxis wurde. Ein möglicher Grund wären die Kontakte, die Regeni im Rahmen seiner akademischen Forschung über unabhängige Arbeiterbewegungen – ein heikles Thema in Ägypten – geknüpft hatte.

Der ägyptische Aussenminister Samih Shukri tat solche Mutmassungen als haltlos ab. Er sprach von individuellen Exzessen der Sicherheitskräfte, die es zu bekämpfen gelte, doch werde jeder Rechtsbruch bestraft. Im Fall eines zu Tode gefolterten Papyrus-Verkäufers in Luxor wurden im Dezember neun Polizisten verhaftet und angeklagt. Doch dies geschah erst, nachdem sich Bewohner von Luxor in wütenden Protesten mit dem beliebten und gut vernetzten Opfer solidarisiert hatten. In den meisten Fällen bleibt ein öffentlicher Aufschrei aber aus, und die Täter müssen keine Konsequenzen fürchten.

Angespannte Beziehungen

Im Falle Regenis musste Rom wie so oft in Ägypten zuerst Druck auf Sisi ausüben. Erst dann tauchte der Leichnam des vermissten Doktoranden auf. Davor waren die Behörden untätig geblieben. Der italienische Aussenminister Paolo Gentiloni sagte am Montag , er fordere eine volle Aufklärung des Falles und die Bestrafung der Mörder. Man werde sich nicht mit Vermutungen zu Regenis Tod zufriedengeben. Kairo hat unter Druck von Rom erlaubt, dass sich italienische Ermittler an der Untersuchung beteiligen dürfen. Der Vorfall wirft einen Schatten auf die eigentlich guten Beziehungen zwischen Ägypten und Italien. Italien hatte als erstes westliches Land Sisi nach dem Putsch gegen die Muslimbrüder zum Staatsbesuch geladen. Die beiden Länder kooperieren in der Entdeckung eines grossen Gasfeldes vor der ägyptischen Küste durch den italienischen Energiekonzern Eni.

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