Quelle: Reuters
Steckt Putin auch unter dieser Sturmhaube?
Das "investigative" Internetportal „Bellingcat“ hat
einen Bericht veröffentlicht, dessen Titel man entnehmen kann, dass an
dem Abschuss der malaysischen Boeing MH17 über der Ukraine direkt
russische Militärs beteiligt waren. Der Text wimmelt allerdings von
Modalwörtern wie „angeblich“, „vermutlich“, „sicherlich“ und
„wahrscheinlich“. Das hindert die BILD-Zeitung aber nicht, mit ganz
großem Geschütz aufzufahren: "NEUER BERICHT ZUM MH17-ABSCHUSS - Die Spur
führt zu Putin".
Auf den ersten Blick erscheint es sogar so, dass die Verfasser die Involvierung von Angehörigen einer russischen Flakbrigade stichhaltig belegen können. Dies haben in Folge auch zahlreiche westlich Medien wenige Stunden nach der Veröffentlichung der 115 Seiten dicken Akte voreilig so dargelegt. Doch werden sich wohl nicht alle in die vorgelegte Untersuchung tiefer eingelesen haben, sonst hätten die westlichen Leitmedien ihre Einschätzungen der dort gemachten Schlussfolgerungen etwas vorsichtiger formuliert.
„Es fehlen direkte Beweise dafür, dass das in Frage kommende ʻBukʼ-System in der Ukraine von russischen Militärs oder Separatisten gesteuert worden ist. Bedenkt man die Komplexität des ʻBuk-M1ʼ-Systems, so ist es am wahrscheinlichsten, dass eben die russischen Militärs den Separatisten nicht nur das Flugabwehrraketensystem vom Typ ʻBukʼ, sondern auch das Personal (zumindest Ausbilder) zur Verfügung gestellt haben müssen. Sollte das ʻBukʼ von einer russischen Besatzung gesteuert worden sein (was an sich sehr wahrscheinlich ist), so dürften nur die Armeeangehörigen aus der 53. Flakbrigade in Frage kommen, die im Sommer 2014 an der Grenze zur Ukraine stationiert war“, steht im Vorwort des Berichtes.
Solche Formulierungen dominieren den gesamten "Untersuchungsbericht", und machen diesen zu einem reinen Sammelsurium von Hypothesen. Die dann aber dem geneigten Leser von BILD und Co als "Fakten" präsentiert werden.
So ist im Text von einer Kolonne der benannten Flakbrigade die Rede, die zwei Tage nach der Katastrophe angeblich „Buk-M1“-Komplexe auf dem Territorium Russlands transportierte. Dabei wird jedoch zugleich betont, dass dieser Konvoi, "obwohl an sich schon bemerkenswert", mit der Katastrophe gar nichts zu tun habe.
Quelle: Bellingcat
Darüber hinaus versucht „Bellingcat“, den Ort im Gebiet Rostow ausfindig zu machen, wo diese Aufnahme gemacht worden ist. Auf dem Bildschirmfoto sind zwei Aufnahmen zu sehen. Die Verfasser des Berichtes behaupten, dass die Rede von ein und demselben Ort sei. Wozu dieser Vergleich gut ist, wird nicht präzisiert. Die Unterschiede, die man mit bloßem Auge wahrnehmen kann, werden dabei durch Perspektivverzerrungen erklärt.
Quelle: Bellingcat
„Unter all diesen Soldaten dürften womöglich ein oder zwei der ʻBuk-M1ʼ-Besetzung angehört haben, die den Flug MH17 abgeschossen haben muss.“
Quelle: Bellingcat - Wie aus nichtssagenden Fotos "Beweise für den Abschuss" werden.
Quelle: Bellingcat
„Dieses ʻErmittlungsteamʼ umfasst einen einzigen Menschen aus Übersee und wird von der ukrainischen Führung finanziert. Das ist seit langem bekannt. Man durchstöbert soziale Netzwerke, das ganze Internet und zieht aufgrund dessen irgendwelche Schlussfolgerungen. Man könnte den Bericht sogar der UN oder den Marsbewohnern vorlegen, doch er bekommt dadurch nicht mehr Aussagekraft.“Die „Bellingcat“-Geschichte
Es sei daran erinnert, dass dies nicht der erste Fall ist, bei dem „Bellingcat“ versucht, den Abschuss des Fluges MH17 aufgrund von Einträgen in sozialen Netzwerken, YouTube-Videos und GooglePlanet-Karten auf Russland abzuwälzen. Der Gründer der Plattform Eliot Higgins hat sich auf die letztere Ressource berufen, um zu belegen, dass Russland seine Satellitenaufnahmen gefälscht hätte, um die Boeing-Katastrophe der ukrainischen Armee anzulasten.
Führende Medien erkannten in „Bellingcat“ eine echte Fundgrube, und es begann markige Schlagzeilen mit Anschuldigungen gegen Russland zu hageln. Doch sie waren etwas voreilig. So kritisierte der Entwickler einer Software zur Bildanalyse, auf deren Ergebnissen einige von „Bellingcat“ angeführte Informationen fußten, den Portalinhaber scharf. Eliot Higgins sei ein Paradebeispiel dafür, wie die Journalisten die Aufnahmen eben nicht analysieren sollten. Das Nachrichtenmagazin SPIEGEL musste sich später sogar dafür entschuldigen, den entsprechenden „Bellingcat“-Bericht für bare Münze genommen zu haben. Außerdem veröffentlichte das Magazin ein Interview mit einem Experten für Bildanalyse, der die „Bellingcat“-Methode von jeglicher Professionalität freisprach.
Der frühere CIA-Mitarbeiter Ray McGovern gab gegenüber RT eine umfassende Einschätzung zu dem selbsternannten Analysten:
„Alle machen sich über ihn lustig, denn er liegt sehr oft falsch. Wenn man hinschaut, wer sein Tun bei ʻBellingcatʼ finanziert, so wird klar, dass das der Atlantische Rat und andere westliche Investoren, darunter auch die Behörde der Vereinigten Staaten für internationale Entwicklung (USAID), sind. Er macht keinen Hehl daraus.“Higgins selbst wollte sich gegenüber RT auf Anfrage nicht äußern, und verwies dabei auf die Gefahr, dass das Interview gefälscht werden könnte. Auf den Vorschlag von RT, seinen Standpunkt in einer Live-Sendung darzulegen, erfolgte bis heute keine Antwort.
Was interessanter Weise weder von der Bellingcat-Untersuchung noch in irgendeiner Weise von deutschen Medien aufgegriffen wurde, war die Anhörung am 22. Januar 2016 vor dem Niederländischen Parlament. Dort berichtete der Leiter des CTIVD, einem Gremium, welches die niederländischen Geheimdienste kontrolliert und seit anderthalb Jahren die Hintergründe des Abschusses der Boeing 777 auf klären soll, Harm Brouwer, dass laut seinen Erkenntnissen, am Tag des Boing-Abschusses auf dem Territorium der Ost-Ukraine außer den „BUK“-Systemen der ukrainischen Regierungsarmee, kein anderer solche Systeme im Einsatz hatte.
Pieter Omtzigt, ein niederländischer Parlamentarier und Abgeordneter der christdemokratischen Fraktion twitterte direkt nach der Befragung aus dem Sitzungsaal:
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