Die Türkei dementiert
Medienberichte über die Verlegung ihrer Truppen nach Syrien. Experten
vermuten allerdings, dass „an Ankara angegliederte“ Kämpfer die Grenze
zwischen beiden Ländern überquert haben, schreibt die „Nesawissimaja
Gaseta“ am Dienstag.
Der
türkische Verteidigungsminister Ismet Yilmaz dementierte entsprechende
Behauptungen und betonte, dass die zuständige Parlamentskommission sich
mit dieser Frage gar nicht beschäftigt hätte. Gleichzeitig widersprach
er Informationen über die Stationierung von saudi-arabischen Kampfjets in der Türkei.
Zuvor hatte der türkische Außenminister Mevlut Cavusoglu nicht
ausgeschlossen, dass Riad seine Flugzeuge auf den Stützpunkt Incirlik
verlegen könnte.
Premier Ahmet Davutoglu hatte im türkischen Fernsehen erklärt, Ankara
könnte in Syrien „dieselben Maßnahmen wie im Irak“ ergreifen. (Im
Dezember waren mehr als 100 Soldaten ohne Zustimmung Bagdads in den Irak
verlegt worden.) Am vergangenen Wochenende beschoss die Türkei zum
ersten Mal die Stellungen der kurdischen Bürgerwehr in Syrien, nachdem
diese einen Fliegerstützpunkt nördlich von Aleppo erobert hatte.
Damaskus wandte sich danach an die Uno und verlangte von ihr Maßnahmen
gegen die Verletzung der syrischen Souveränität.
„Die Türkei verhält sich äußerst frech, indem sie unter einem
lügnerischen und demagogischen Vorwand nach Syrien eindringt“, meint der
Präsident des russischen Instituts für Religion und Politik, Alexander
Ignatenko. „Es wurden zwar keine türkischen Soldaten nach Syrien
geschickt, aber das sind offensichtlich Kämpfer, die auf dem türkischen
Territorium ausgebildet und bewaffnet wurden und die Ankaras
militärpolitische Pläne umsetzen.“
Das Außenministerium Frankreichs brachte jüngst seine „Besorgnis über
die Anspannung der Situation bei Aleppo und im Norden Syriens“ zum
Ausdruck und forderte die Türkei und andere Länder zur Einstellung
jeglicher Angriffe auf, darunter in den kurdischen Gebieten. Priorität
müsste der Kampf gegen den „Islamischen Staat“ haben, warnte man in Paris.
US-Vizepräsident Joe Biden telefonierte mit Davutoglu und bestand auf
der Einstellung der Angriffe. Auch das US-Außenministerium plädierte
für eine Entspannung des Konflikts. Zugleich aber rief der Sprecher des
Außenamtes, John Kirby, auch die Kurden dazu auf, „die verworrene
Situation nicht auszunutzen, um neue Territorien zu erobern“.
Die „Washington Post“ gab jüngst eine negative Prognose für die
Entwicklung des Syrien-Konflikts ab. Der Zeitung zufolge könnten die
Auseinandersetzungen bei Aleppo in einen globalen Krieg ausarten: „Der
Bürgerkrieg in Syrien ist schon längst in einen Kreaturen-Konflikt unter
Beteiligung der konkurrierenden Großmächte mutiert, die die syrischen
rivalisierenden Fraktionen unterstützen.“ Aber bis zuletzt habe keine
Gefahr des Beginns „eines kleinen Weltkrieges“ im Nahen Osten
bestanden.
An
den Kriegshandlungen bei Aleppo sind nicht nur die Kurden beteiligt,
sondern auch die von Russland und dem Iran unterstützten syrischen
Regierungstruppen sowie mehrere Gruppierungen, die den Rücktritt von
Präsident Baschar al-Assad verlangen. Laut der „Washington Post“ wäre
Russland bereit, schwere Artilleriewaffen in diesen Raum zu verlegen.
„Die türkische Intervention hat den Kontext des Syrien-Konflikts
verändert“, so Experte Ignatenko weiter. Bisher sei von einem
Bürgerkrieg gesprochen worden, an dem das Assad-Regime
und die Opposition beteiligt wären. Inzwischen gehe es aber „um den
Kampf verschiedener Kräfte, die nicht nur diese beiden Seiten
unterstützen, sondern auch ihre eigenen geopolitischen, wirtschaftlichen
usw. Ziele verfolgen“. In diesem Kontext erwähnte der Experte
Saudi-Arabien, Katar, den Iran und die Türkei. Ausgerechnet Ankara
verhindert nach seiner Auffassung „die Umsetzung von friedensstiftenden
Projekten zwecks politischer Krisenregelung, mit denen Russland und die
USA unter Mitwirkung der Uno auftreten.“
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