"Er wollte sie unattraktiv für andere Männer machen"

Völlig arglos steht eine Frau unter der Dusche, als ihr Ehemann sie mit heißem Öl übergießt. Sie habe ihm nicht genug Respekt gezollt, sagt er später aus. Nun fiel in Hamburg das Urteil.
Von Bernhard Sprengel
 
Wegen eines lebensgefährlichen Angriffs auf seine Ehefrau mit heißem Öl hat das Hamburger Landgericht einen 49-jährigen Afghanen zu zehn Jahren Haft verurteilt. Der Angeklagte habe sich eines Mordversuchs und gefährlicher Körperverletzung schuldig gemacht, erklärte der Vorsitzende Richter Wolfgang Backen am Donnerstag.

"Der Fall hat viel mit der afghanischen Kultur zu tun, besonders mit der Haltung von Männern gegenüber Frauen", sagte Backen. Motiv des Angeklagten sei gewesen: "Er wollte sie unattraktiv für andere Männer machen, weil er eifersüchtig war." Bei dem Angriff hatte die Frau Verbrennungen auf 44 Prozent ihrer Haut erlitten. Sie schwebte wochenlang in Lebensgefahr.

Am Morgen des 8. September 2015 hatte der 49-Jährige seine Frau geweckt und mit ihr Sex gewollt. Sie willigte ein. "Aus Gründen, die beim Angeklagten lagen, klappte der Geschlechtsverkehr nicht", führte der Richter aus. Das habe seine allgemeine Frustration verstärkt. Er gab seiner Frau die Schuld. Mit der Tat habe er sie disziplinieren und ihr zeigen wollen, wer Herr im Hause ist.

Kochtopf voll mit Öl in Richtung des Kopfes geschüttet

Die Frau sei nach dem fehlgeschlagenen Sex völlig arglos duschen gegangen, während er in der Küche das Frühstück machen wollte. Tatsächlich habe er in einem großen Kochtopf das Öl erhitzt, sei unbemerkt zu ihr ins Badezimmer gegangen und habe gerufen: "Guck mal her!". Als sie den Duschvorhang zur Seite zog und nackt vor ihm stand, habe er das gesamte Öl in Richtung ihres Kopfes geschüttet.


Die Frau machte eine Abwehrbewegung und stürzte mit dem Rücken in das heiße Öl-Wasser-Gemisch in der Wanne. Der Angeklagte habe sie wortlos beobachtet, wie sie versuchte, mit schwersten Verbrühungen aus der Wanne zu klettern. Dann zog er sich an und ging zur Polizei. Auf der Wache sagte er dem diensthabenden Beamten: "Frau totgemacht!", woraufhin er festgenommen wurde.

Die Frau schrie nach der Tat vergeblich im Treppenhaus um Hilfe. Es gelang ihr dann, ihren Sohn anzurufen, der die Retter alarmierte. Bis heute leidet sie unter den Spätfolgen der Verbrennungen und kann nicht mehr ihrer Tätigkeit als Küchenhilfe nachgehen.

Nicht er, sondern sie sei schuld an der Tat

Der Angeklagte gestand die Tat vor Gericht. Er erklärte jedoch, er habe die Frau nicht töten, sondern nur verletzen wollen. Einem Gutachter sagte der 49-Jährige nach Angaben von Backen, er sei eifersüchtig gewesen, weil sie andere Kleidung tragen und abnehmen wollte. Außerdem habe sie ihm geraten, er solle nach Afghanistan gehen und sich eine neue Frau suchen. Sie habe ihm nicht ausreichend Respekt entgegengebracht.

Nicht er, sondern sie sei schuld an der Tat. Schon früher habe der Angeklagte die Frau misshandelt, sagte der Richter. Er habe sie regelmäßig von der Arbeit abgeholt und ihr selten gestattet, das Haus allein zu verlassen. Einen Deutschkurs durfte sie nicht belegen.


Das Festhalten an der afghanischen Tradition wertete das Gericht "wenn überhaupt, nur ganz geringfügig strafmildernd", wie Backen sagte. Der Angeklagte sei zwar von seinen Kindern als "Hinterwäldler" bezeichnet worden. Tatsächlich stamme er aber aus einer Familie mit einer gewissen Bildung und wuchs in der drittgrößten Stadt Afghanistans auf. In seiner Heimat sei er als Wachposten in der nationalen Armee tätig gewesen.

1995 flüchtete er mit seiner Frau und drei Kindern nach Deutschland. Nur anfangs habe er zwei Stunden täglich in einer Pizzeria gearbeitet. Er habe sich nicht um Integration bemüht und sei "in archaischen Überzeugungen verwurzelt" geblieben. Der Richter betonte jedoch: "Die Tötung und Verstümmelung der Frau ist auch nach afghanischem Recht verboten."

Und direkt zum Angeklagten gewandt fügte er hinzu: "Sie haben durch die Tat Ihre Frau verloren, die einzige, die zu Ihnen hielt und Sie bisher noch liebte. Nun sind Sie ganz allein." Der 49-Jährige nahm das Urteil mit gesenktem Kopf und einer Hand vor den Augen entgegen.

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