Österreich verbietet seinen Muslimen, Geldquellen
im Ausland anzuzapfen. Das Modell kann ein Vorbild für die Schweiz sein –
aber man sollte ob der Pflichten die Rechte nicht vergessen.
Erzkonservative
Prediger, alimentiert aus saudischen oder türkischen Staatskassen,
verbreiten in Schweizer Moscheen eine Version des Islam, die kaum mit
westlichen Werten vereinbar ist: Diese Vorstellung ist unangenehm. Die
wirklichen Ausmasse des Phänomens sind schwierig abzuschätzen. Aber auch
wenn es sich nur um einige wenige Hotspots handeln sollte, müssen die
Behörden dort genau hinschauen. Eine falsch verstandene Toleranz, die
auf Gleichgültigkeit hinausläuft, ist keine zielführende Haltung in
Zeiten von Jihad-Reisenden und islamistischem Terror, wie er Frankreich
und Belgien erschüttert.
Was
die hiesigen Muslime tun und lassen, interessiert die Öffentlichkeit
seit Jahren brennend. Das hat negative Auswirkungen, wenn die Debatte
ein Klima des Misstrauens befördert. Aber das Interesse kann auch dazu
führen, dass die nichtmuslimische Mehrheit ein offenes Ohr für die
Anliegen der Minderheit findet. Deren Bedürfnisse zu ignorieren, ist
schlicht keine Option. Fast eine halbe Million Muslime lebt in der
Schweiz, ein beträchtlicher Teil davon schon so säkularisiert wie ihre
nur noch auf dem Papier christlichen Mitbürger. Sie alle sind Teil der
Gesellschaft und werden es bleiben. Daran ändern Minarett-, Burka- oder
Kopftuchverbote nichts.
Wie
soll also das Verhältnis des Staates zur muslimischen Gemeinschaft
ausgestaltet werden? Das in den letzten Tagen vieldiskutierte
österreichische Modell bietet einige Denkanstösse. Aufgrund seiner
Vergangenheit als Grossmacht mit Territorien auf dem Balkan sah sich
unser östlicher Nachbar – anders als die Schweiz – seit Jahrhunderten
mit muslimischen Minderheiten konfrontiert und erliess schon 1912 ein
Islamgesetz. Im geschrumpften Österreich der Nachkriegszeit verlief die
Entwicklung ähnlich wie hierzulande. Erst mit den Migrationswellen ab
den 1960er Jahren stieg die muslimische Bevölkerung an und erreicht
heute einen Anteil von rund sieben Prozent.
Seit
letztem Jahr ist es den österreichischen Muslimen nicht mehr erlaubt,
zur Finanzierung von Moscheen und Imamen ausländische Quellen
anzuzapfen. Wer solche Regelungen nun isoliert auch für die Schweiz
fordert, verkennt zwei Tatsachen: Erstens ist eine flächendeckende
Kontrolle der Finanzströme der meist als Vereine organisierten Schweizer
Moscheen kaum praktikabel. Zweitens ist das österreichische Modell eine
Mischung aus Geben und Nehmen: Die Muslime dürfen dort auch auf
umfangreiche Rechte pochen. Grundlage dafür ist die öffentliche
Anerkennung der Religionsgemeinschaft.
Dies
sollte auch in der Schweiz das Fernziel sein. Wenn sich die – oft
finanzschwachen – Moscheen über eine «Kirchensteuer» finanzieren können,
sind sie weniger auf Geld aus dem Ausland angewiesen. Es wäre zwar eine
Illusion, zu glauben, dass dadurch Gruppierungen wie der Islamische
Zentralrat verschwinden würden; denn eine radikale Glaubensauslegung
dürfte mindestens so stark mit der psychischen Prädisposition des
Einzelnen zusammenhängen wie mit der Verführung durch charismatische
Prediger.
Eine Anerkennung der
gemässigten Mehrheit der Muslime würde jedoch auch zu einer Klärung der
Situation führen. Die Behörden bekämen dadurch offizielle
Ansprechpartner. Salafistische Kreise, die nicht bereit wären, andere
Religionen als gleichwertig anzuerkennen oder Transparenz über ihre
Finanzströme herzustellen, würden ausserhalb des Systems bleiben. Das
würde es den Moderaten ermöglichen, sich stärker von den Eiferern
abzugrenzen. Ein Signal, dass Muslime in der Schweiz willkommen sind,
könnte ohnehin dem Fundamentalismus Nährboden entziehen. Wie Frankreich
zeigt, kann die Ausgrenzung eine Ursache der Radikalisierung gerade
junger Menschen sein.
Bis sich
die Muslime auf gemeinsame Institutionen geeinigt haben, die
Voraussetzung für eine Anerkennung sind, wird es dauern – auch wegen
ihrer ethnischen Vielfalt. Dringlicher ist es, eine Lösung für die
Seelsorge zu finden. Import-Imame kennen oft weder die hiesigen
Gepflogenheiten noch die Bedürfnisse einer Diasporagemeinde. Es braucht
deshalb Lehrgänge für islamische Geistliche. Das theoretische Rüstzeug
sollten sie sich in einem Theologiestudium an einer Schweizer
Universität holen können, die Ausbildung «on the job» hingegen ist
Aufgabe der Moscheen. Es ist ein Modell, das sich bei den Reformierten
und Katholiken schon lange bewährt.
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