Steinmeier wirbt für "Doppelten Dialog" mit Russland: Mehr Austausch, weniger Stereotype


Steinmeier wirbt für "Doppelten Dialog" mit Russland: Mehr Austausch, weniger Stereotype
 
In einer Grundsatzrede beim Egon-Bahr-Symposium in Moskau hat der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier daran erinnert, dass „ein zentrales Grundprinzip der Ostpolitik weiterhin Bestand hat: "Russland ist unser größter europäischer Nachbar". Steinmeier verwies in seiner Rede zudem auf eine zentrale Herausforderung in den deutsch-russischen Beziehungen: "Oft ist das Problem: Wir 'lesen' uns gegenseitig schlecht und tauschen lediglich Stereotype aus". 
 
Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier trat in Moskau mit seinem neuen Konzept des „Doppelten Dialoges“ mit Russland auf. Am Donnerstag hielt er eine umfassende Rede zu russisch-deutschen Beziehungen beim Egon-Bahr-Symposium.


Der im Sommer 2015 in Berlin verstorbene Egon Bahr war einer der Begründer der sogenannten neuen Ostpolitik der BRD. Die Grundprinzipien dieser seit den 1960er Jahren betriebenen Politik zielten auf Ausgleich mit der Sowjetunion und den osteuropäischen Staaten und wurden von Bahr im berühmten Vortrag „Wandel durch Annäherung“ formuliert.

Darauf anspielend fragte Steinmeier:
„Was heißt das nun für unsere Politik? Ich werbe für den 'Doppelten Dialog' mit Russland: den Dialog über Gemeinsamkeiten und mögliche Felder der Zusammenarbeit. Aber auch den ehrlichen Dialog über unsere Unterschiede!“
„Ein zentrales Grundprinzip der Ostpolitik hat weiterhin Bestand – allein schon aus geographischen Gründen: Russland ist unser größter europäischer Nachbar“, setzte er fort und ergänzte:
"Oder wie Egon einmal sagte: 'Amerika ist unverzichtbar. Russland ist unverrückbar.' Und das bedeutet: Nachhaltige Sicherheit für Europa gibt es nicht ohne und schon gar nicht gegen Russland. Aber die Vorzeichen unserer Ostpolitik sind heute andere. Sie haben sich geradezu umgekehrt! Mit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim und der Destabilisierung der Ostukraine hat sich ein Teilnehmerstaat der OSZE die Prinzipien der KSZE-Schlussakte massiv in Frage gestellt. Der Vision eines gemeinsamen Raumes vom Atlantik zum Pazifik stehen in Russland nationalistische Stimmen und Abgrenzungsstreben von Europa gegenüber.“

Steinmeier warb lange und konsequent für den Dialog für Russland, auch in der Krise:
„In diesen Kontext der Kooperation gehört auch der NATO-Russland-Rat. Dass er gerade gestern nach längerer Pause wieder getagt hat, dafür haben wir uns stark gemacht und das begrüße ich ausdrücklich. Das Tagen des Rates ist ein sichtbares Zeichen nach außen. Innerhalb der NATO aber habe ich schon länger für ein Mindestmaß an Vertrauensbildung auch auf militär-technischer Ebene gestritten, um Gefahren und Vorfällen vorzubeugen“.
„Zum Konzept des 'Doppelten Dialoges' gehört aber, dass wir -neben Feldern der Kooperation- genauso ernsthaft und ehrlich mit Russland über unsere Unterschiede sprechen sollten“, fügte er hinzu und betonte:
„Oft ist das Problem: Wir 'lesen' uns gegenseitig schlecht. Entweder lesen wir uns gar nicht – sondern tauschen lediglich Stereotype aus. Oder wir sind immer wieder voneinander überrascht – und setzen gleichwohl darauf, dass unsere bewusst gesetzten Signale auf der anderen Seite richtig verstanden werden. Meistens in der Außenpolitik gibt es nicht nur ein Signal.“  
Seinen Worten zufolge muss dieser "Doppelte Dialog" auf mehreren Ebenen geführt werden, von Experten bis zu Politikern:
„Er muss langfristig sein, um nachhaltige Wirkung zu entfalten. Denn Verständigung über Gemeinsamkeiten ist ja schon kompliziert genug – Verständigung über Unterschiede braucht noch viel mehr Zeit! Gerade für die Zivilgesellschaft“, sagte er. Sein Konzept formulierte er so: „Kooperation, wo möglich – Bewusstsein über Unterschiede, wo nötig. Oder kurz gesagt: Es gibt kein schwarz-weißes Verhältnis zu Russland!“
Laut Steinmeier bleibe das langfristige Ziel, Russland zur Rückkehr zur regelbasierten internationalen Ordnung auf Basis der KSZE-Schlussakte und der Charta von Paris zu bewegen und wieder zu einer umfassenderen Kooperation zu gelangen.

„Solange dies aber nicht möglich ist, sind wir bereit, zumindest in den Bereichen zusammenzuarbeiten, in denen es sinnvoll und machbar ist“, sagte der Außenminister abschließend.

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