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Wer der Meinung ist, der Islam gehöre zu Deutschland, sollte nicht
zögern und erklären: Die Scharia gehört zu Deutschland. Dies würde das
friedliche Zusammenleben auf eine feste Grundlage stellen.
Von
Henryk M. Broder
Foto: picture alliance / dpa
Im Burkini spielt eine Mutter mit ihrem Sohn im Berliner Freibad. Die Aufnahme stammt aus dem vergangenen Sommer
Christian Wulff
sagt: Der Islam gehört zu Deutschland. Frauke Petry sagt: Der Islam
gehört nicht zu Deutschland. Beide sagen: Der Islamismus gehört auf
keinen Fall zu Deutschland. Aber Muslime gehören zu Deutschland, wenn
sie keine Islamisten sind. Dschihadisten
und Salafisten gehören ebenfalls nicht zu Deutschland, nicht einmal
dann, wenn sie in Deutschland geboren, christlich erzogen wurden und
später zum Islam übergetreten sind. Moscheen gehören zu Deutschland,
Hassprediger nicht.
Wer
zur Gewalt aufruft, gehört nicht zu Deutschland, es sei denn, es sind
Aktivisten der autonomen Antifa, die gerne Polizisten verhauen und Autos
abfackeln. Wer bei einer Demo mitläuft, auf der "Deutschland, du mieses
Stück Scheiße!" gerufen wird, der gehört zu Deutschland, ebenso wie
jemand, der von Hell- und Dunkeldeutschland spricht und zugleich dazu
ermahnt, Gräben zu überwinden und Brücken zu bauen.
Andere
Länder, andere Sitten: In Frankreich reicht es, volltrunken die
Marseillaise zu singen, um zu Frankreich zu gehören, in Holland muss man
einen Gouda von einem Edamer unterscheiden können, in Griechenland
einen Ouzo von einem Metaxa. Alles Übrige geht niemanden etwas an.
Die
Debatte, wer oder was zu Deutschland gehört, ist hochgradig hysterisch.
Man will inklusiv und exklusiv zugleich sein. Alle wissen, worum es
geht, aber kaum jemand traut sich, es klar auszusprechen: Sollen sich
die Zugewanderten an die Einheimischen anpassen oder die Einheimischen
an die Zugereisten?
Was Bedford-Strohm nie sagen wird
Die
Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Staatsministerin Aydan
Özoguz, hat bereits angedeutet, welchen Weg sie für den richtigen hält.
Das Zusammenleben müsse "täglich neu ausgehandelt" werden, eine
Einwanderungsgesellschaft zu sein bedeute, "dass sich nicht nur die
Menschen, die zu uns kommen, integrieren müssen".
Wie hilfreich und wie zielführend wäre es da, wenn das Oberhaupt der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Heinrich Bedform-Strohm, im Laufe einer Sonntagspredigt sagen würde:
"Wir
sind kein allzu christliches Land mehr. 30 Prozent der Deutschen
gehören der evangelischen Kirche an, ebenso viele der katholischen. Aber
34 Prozent sind konfessionslos, und es werden immer mehr. Dennoch sind
wir ein christlich geprägtes Land, deswegen feiern wir Ostern,
Pfingsten, Fronleichnam, Allerheiligen und Weihnachten, auch wenn viele
von uns nicht wissen, was diese Feste bedeuten.
Und
wir wollen ein christlich geprägtes Land bleiben. Wir respektieren die
Angehörigen aller Religionen – unter der Voraussetzung, dass sie uns
respektieren und unseren Standortvorteil anerkennen. Zu diesem
Standortvorteil gehört, dass wir die Kirchenglocken läuten lassen, den Ruf des Muezzins aber
als etwas Fremdes, als eine Störung empfinden. Wir wären bereit, unsere
Position zu überdenken, wenn in islamisch geprägten Ländern Christen
ihren Glauben ebenso frei praktizierten dürften, wie es Muslime bei uns
können …"
Aber
das wird Bischof Heinrich-Bedford-Strohm nie sagen, es könnte als
Provokation verstanden werden, als Mangel an Respekt vor
Andersgläubigen, die ihn für einen Ungläubigen halten. Auf die Frage, ob
es "unchristlich" wäre, "die Einwanderung von Millionen Muslimen falsch
(zu) finden", sagt das Oberhaupt der Protestanten: "Trauen wir unserem
eigenen Glauben so wenig zu, dass wir befürchten müssen, bei 50
Millionen Christen könnte durch ein, zwei oder drei Millionen mehr
Muslime in Deutschland die christliche Kultur verschwinden? Wie
kleingläubig ist das denn?!"
Weltliche Kultur wird Schaden nehmen
Die
Antwort ist politisch so extrem korrekt, dass sie am Kern der Sache
vorbeizielt. Eine, zwei oder drei Millionen "mehr Muslime" werden die
"christliche Kultur" oder das, was von ihr übrig geblieben ist, nicht
zum Verschwinden bringen, auch dann nicht, wenn immer mehr Kirchen zu
Moscheen umfunktioniert würden. Aber die weltliche Kultur, die sich
gegen zahllose Verbote mühsam durchsetzen musste, wird Schaden nehmen,
nein, sie hat es schon getan.
Ob es die "Satanischen Verse" von Salman Rushdie
sind, die Mohammed-Karikaturen der dänischen Zeitung "Jyllands-Posten"
oder zwei harmlose Aktfotos, die aus einer Ausstellung im Rathaus von
Köpenick entfernt werden, immer lautet das gängige Argument, man müsse
"auf religiöse Gefühle" Rücksicht nehmen, entweder weil die Menschen,
die sich verletzt fühlen könnten, noch nicht "so weit" sind wie wir oder
wegen "übergeordneter Interessen", wie zum Beispiel beim Besuch des
iranischen Präsidenten Ruhani in Rom, als nackte Statuen im
Kapitolinischen Museum verhüllt wurden.
Ein
weiteres Argument, das in solchen Situationen zum Einsatz kommt, klingt
ebenso resignativ: Man wolle doch wegen solcher Bagatellen keinen
Kulturkampf vom Zaun brechen, das sei es doch nicht wert. Aber der
Kulturkampf findet längst statt. Worüber diskutieren wir seit dem 11.
September 2001? Welche Themen bestimmen den öffentlichen Diskurs?
Ob
der Terrorismus eine Waffe der Armen im Kampf gegen die Reichen ist. Ob
eine Lehrerin, die an einer öffentlichen Schule arbeitet, ein Kopftuch
tragen darf oder nicht. Ob man separate Zeiten für Frauen, gemeint sind
muslimische Frauen, in Schwimmbädern einführen sollte. Ob muslimische
Schüler ein Recht auf eigene Gebetsräume in Schulen
haben. Ob man die Burka und andere Formen der Ganzkörperverkleidung
verbieten sollte, obwohl das Vermummungsverbot bereits eine Antwort auf
diese Frage enthält.
Käßmann und Göring-Eckhardt predigen
Ob
man eine Frau, die sich durch eine abfällige Bemerkung beleidigt fühlt
und gegen den Beleidiger klagt, dazu zwingen darf, vor Gericht ihr
Gesicht zu zeigen. Ob bei "Ehrenmorden" strafmildernd berücksichtigt
werden soll, dass Täter und Opfer aus einem anderen Kulturkreis stammen.
Ob in Schulkantinen Schweinefleisch angeboten werden darf. Ob man
muslimischen Mädchen und Jungen zumuten kann, am Sexualkundeunterricht
teilzunehmen.
Ob
es der Integration nutzt oder schadet, wenn Schüler mit
Migrationshintergrund über den Holocaust unterrichtet werden. Und über
die Mutter aller Fragen: Hat der Islam etwas mit dem Islamismus zu tun?
Bedeutet Dschihad "heiliger Krieg" gegen die Ungläubigen oder "innere
Anstrengung" auf dem Weg zu einem besseren Menschen?
Ja,
das sind Fragen, die wir uns tagtäglich stellen, während uns Margot
Käßmann und Katrin Göring-Eckardt erklären, dass wir unsere "Willkommenskultur" dringend verbessern müssten, wenn wir unseren Ruf als weltoffenes und tolerantes Land nicht verspielen wollen.
Diese
Debatte ist inzwischen dermaßen selbstverständlich geworden, dass wir
nicht einmal mehr wahrnehmen, dass es keine Debatte über kulturelle und
religiöse Empfindlichkeiten ist, sondern eine über die kulturellen und
religiösen Empfindlichkeiten einer Gruppe unter vielen. Dass es in
Deutschland zum Beispiel auch Sihks gibt, die sehr eigene Bräuche
pflegen, ohne sie anderen aufzwingen zu wollen, haben wir erst nach
einem Bombenanschlag auf eine Hochzeitsfeier in einem Sikh-Tempel in
Essen erfahren.
Lest die Kairoer Erklärung der Menschenrechte von 1990
Auch
die in Deutschland ansässigen Armenier verhalten sich vollkommen
unauffällig, obwohl sie genug Gründe hätten, sich als Opfer der
Geschichte zu fühlen. Wann hat sich zuletzt ein Armenier in die Luft
gesprengt, um die Leiden seiner Vorfahren zu rächen?
Immerhin
wird immer öfter die Frage gestellt, ob "der Islam" mit der Demokratie
vereinbar wäre. Obwohl auch diese Frage längst beantwortet wurde,
nämlich in der "Kairoer Erklärung der Menschenrechte" aus dem Jahre
1990, in der die Scharia als "alleinige Grundlage von Menschenrechten"
definiert wird. Ganz allgemein und für alle Menschen, nicht nur für die
Nachkommen des Propheten Mohammed. Im Artikel 2, in dem es um das Recht
auf Leben geht, heißt es unter anderem: "Das Leben ist ein Geschenk
Gottes, und das Recht auf Leben wird jedem Menschen garantiert … und es
ist verboten, einem anderen das Leben zu nehmen, außer wenn die Scharia
es verlangt."
Auch
alle anderen Rechte gelten unter dem Vorbehalt der Scharia. So ist es
verboten, das Recht auf freie Meinungsäußerung dazu zu nutzen, "die
Heiligkeit und Würde der Propheten zu verletzen, die moralischen und
ethischen Werte auszuhöhlen und die Gesellschaft zu entzweien, sie zu
korrumpieren, ihr zu schaden oder ihren Glauben zu schwächen".
Wer
also der Meinung ist, der Islam gehöre zu Deutschland, sollte nicht
zögern, einen Schritt weiter gehen und erklären: Auch die Scharia gehört
zu Deutschland. Denn ohne die Scharia gibt es keinen authentischen
Islam, und der von vielen herbeigewünschte "Euro-Islam"
ist eine Schimäre, wie es auch der "Euro-Kommunismus" war. Dies würde
das friedliche Zusammenleben auf eine feste Grundlage stellen und damit
wesentlich erleichtern. Es wäre auch das Ende aller Debatten – über die
Gleichberechtigung von Frauen und Männern, Ehe für alle, Kopftücher im
öffentlichen Dienst, Gewaltenteilung in der Politik, Trennung von Staat
und Kirche, Karikaturen und Satiren. Wir würden viel Zeit sparen und
könnten uns den wirklich relevanten Fragen zuwenden. Zum Beispiel: War
Jesus der erste Muslim?
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