Diplomaten-Leak: "Merkel gibt Erpressungsversuch von Erdogan für Visafreiheit nach"


Diplomaten-Leak: "Merkel gibt Erpressungsversuch von Erdogan für Visafreiheit nach"
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel arbeitet an einer „Kompromissformel“ im Streit zwischen der Türkei und der EU, um die geplante Visafreiheit für türkische Staatsangehörige im Schengen-Raum durchzusetzen. Dies berichtet die britische Tageszeitung „The Telegraph“ unter Berufung auf ein ihr zugespieltes diplomatisches Telegramm des britischen Botschafters in Berlin, Sir Sebastian Wood. 
 

Dem Bericht zufolge soll die Visafreiheit auch dann umgesetzt werden, wenn die Türkei nicht allen Bedingungen der EU entsprechen sollte. Die Visafreiheit wurde infolge des Flüchtlings-Rücknahmeabkommen von Ende letzten Jahres in Aussicht gestellt.

Der Konflikt zwischen Brüssel und Ankara hatte sich daran entzündet, dass EU-Politiker auf eine Reform der türkischen Antiterror-Gesetze bestehen. Dem möchte Ankara nicht beikommen. Das Strafgesetzbuch der Türkei weist einen weiter gefassten Begriff des Terrorismus auf. Seit März des Jahres haben türkische Behörden den Zustrom illegaler Einwanderer in die EU massiv gesenkt und nach eigenen Angaben einen Großteil der 72 Voraussetzungen für die Visafreiheit erfüllt.

Die EU nahm Anstoß daran, dass die Antiterrorgesetze in der Türkei vielfach herangezogen wurden, um Journalisten und Regierungskritiker zu kriminalisieren.

Die Türkei wiederum hatte jedwede Lockerung ihrer Antiterrorgesetzgebung kategorisch ausgeschlossen, da diese das Land im Kampf gegen den Terror entscheidend schwächen würde.


Die Türkei wurde im Laufe der letzten Monate mehrfach zum Ziel blutiger Anschläge, für die unter anderem die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) und die kurdische PKK sowie einige ihrer Splittergruppen verantwortlich gemacht werden. Sollte es zu keiner Visafreiheit kommen, würde sich, so hieß es aus Ankara, auch die Türkei vorbehalten, ihren Verpflichtungen aus dem Vertrag über die Flüchtlingsrücknahme nicht mehr nachzukommen – und ihre Grenzen zur EU wieder für Einwanderungswillige öffnen.

Der Kompromissvorschlag Merkels, so das britische Blatt, soll darauf hinauslaufen, dass die EU auf eine Anpassung der Antiterrorgesetze Ankaras im Ergebnis verzichten würde.
„Entgegen der nach außen hin zur Schau gestellten harten Haltung werden die Hinweise darauf immer deutlicher, dass die Deutschen im Extremfall Kompromisse akzeptieren würden, um den Deal zwischen der EU und der Türkei zu retten“, hieß es in dem Dokument, das von der Pro-Brexit-Organisation Vote Leave veröffentlicht wurde.
Deutschland würde mit dieser Vorgehensweise versuchen, den Deal zumindest über den Sommer zu retten.


Ein Entgegenkommen Deutschlands in der Visafrage käme zu diesem Zeitpunkt angesichts der seit einigen Monaten drastisch verschlechterten deutsch-türkischen Beziehungen für viele überraschend. Neben den Unstimmigkeiten über den Flüchtlingsdeal hatten auch die Affäre um ein Schmähgedicht des ZDF-Moderators Jan Böhmermann und der Beschluss des Deutschen Bundestages zur Anerkennung der Massaker an Armeniern im Zuge der Deportation aus dem Osmanischen Reich 1915 als „Völkermord“ beigetragen.

Am Dienstag hat der EU-Botschafter in der Türkei, Hansjörg Haber, sein Amt niedergelegt. Der Diplomat war in der Türkei in die Kritik geraten, nachdem er der Nachrichtenagentur Anadolu zufolge bei einem Pressetermin zur Flüchtlingsproblematik gegenüber Journalisten eine rassistische Äußerung über Türken getätigt haben soll. Daraufhin sei er ins türkische Außenministerium zitiert worden. Die EU-Delegation in Ankara wollte die von Anadolu vorgeworfene Äußerung nicht bestätigen.

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