Doku-Film „Inside IS“ in Berlin – Jürgen Todenhöfer und die Feinde der Aufklärung

Jürgen Todenhöfer präsentiert seinen Doku-Film "Inside IS" im Zoo Palast Berlin
Jürgen Todenhöfer präsentiert seinen Doku-Film "Inside IS" im Zoo Palast Berlin
 
Mit „Inside IS“ sorgte Jürgen Todenhöfer zuletzt für Furore. Als erstem westlichen Journalisten war es dem ehemaligen Politiker und Top-Manager gelungen, den „Islamischen Staat“ zu bereisen und lebend wieder zu verlassen. Dem Buch folgt nun auch ein Doku-Film mit gleichnamigen Titel. Nach der Premiere in Essen kam Todenhöfer gestern persönlich nach Berlin um sein Werk in der Hauptstadt zu präsentieren. Gekommen waren 750 Besucher – und sechs Gegendemonstranten der US-hörigen Transatlantifa. 
 

Von Florian Hauschild

Zehn Tage bereiste der Journalist Jürgen Todenhöfer gemeinsam mit seinem Sohn Frédéric im November 2014 die vom „Islamischen Staat“ eroberten Gebiete in und um die irakische Stadt Mossul. Die Reise endete nur deshalb nicht in einer blutigen Katastrophe, weil Todenhöfer schon ein halbes Jahr zuvor begann, Kontakt zum IS aufzunehmen. Über den deutschen Konvertiten Abu Qatada, der auch in dem Buch „Inside IS - 10 Tage im 'Islamischen Staat'“ und dem nun erschienenen gleichnamigen Doku-Film, eine zentrale Rolle einnimmt, gelang es, eine Sicherheitsgarantie von Abu Bakr, dem selbsternannten Kalifen des „Islamischen Staates“, zu erwirken.

Und die Schergen der Terrormiliz hielten sich an die Anweisung von oben: Zwar sicherte ein IS-Kämpfer dem deutschen Journalisten zu, ihn zu töten, wenn die Miliz erstmal in Europa einrückt, vor Ort wurden Todenhöfer und seinem Sohn jedoch kein Haar gekrümmt. Auch war – angesichts der Umstände - eine relativ freie Recherche möglich. Von den Aufpassern wurden in etwa 10 Prozent des vor Ort gedrehten Filmmaterials gelöscht. Aus dem, was die Zensur überlebte, entstand nun „Inside IS – Der Dokumentarfilm“. Zurück in Deutschland drohte jedoch zuvor noch der zweite Eingriff. Deutsche TV-Sender, die an dem Projekt interessiert waren, wollten die redaktionelle Hoheit über das Endprodukt. „Das kommt überhaupt nicht in Frage“, war für die beiden Todenhöfers klar. Die Folge: Wieder viel Eigenarbeit.

Geschnitten hat dann Todenhöfers Sohn und Reisebegleiter Frédéric den Streifen. Fertig wurde er erst vor drei Tagen, einen Tag vor der Premiere, bei der 1.200 Zuschauer die Essener Lichtburg - das größte Kino Deutschlands - bis zum letzten Platz füllten. Am Mittwochabend dann die Präsentation im Zoo Palast Berlin mit 750 Zuschauern. Auch hier ist Todenhöfer persönlich vor Ort, berichtet vor und nach der Vorführung über weitere Details seiner Reise.

Selbstmordattentat auf ein Polizeidienststelle in einem Wohnbezirk von Damaskus, Masaken Barza, Syrien, 9. Februar 2016.

Die Botschaft des ehemaligen CDU-Politikers ist eindeutig: Der „Islamische Staat“ ist nicht der Islam und müsste eigentlich „Antiislamischer Staat“ heißen. Gerade weil die Extremisten des IS auf einen Kampf der Kulturen setzen, gelte es zudem, dass westliche Gesellschaften die in ihren Staaten lebenden Muslime als natürliche Verbündete gegen die Radikalen verstehen. Das Agieren der AfD kritisiert der Autor in diesem Zusammenhang scharf. Für die Gräueltaten des IS hat Todenhöfer nur Verachtung übrig. Auf beklemmende Weise beschreibt er die Rohheit, die ideologische Verbohrtheit, die Brutalität und auch die Propagandalügen, mit denen die Miliz um neues Kanonenfutter wirbt. Das alles geschehe auf Grundlage einer völligen Verdrehung der islamischen Lehre. „Terrorismus hat mit Islam so viel zu tun, wie Vergewaltigung mit Liebe“, ist so auch der Schlusssatz des Films.

Todenhöfers Schilderungen sind das Gegengift für die propagandistischen Bemühungen des „Islamischen Staates“, der mit seinem Hochglanzmagazin „Dabiq“ oder actiongeladenen Youtube-Clips vor allem auch versucht, die in westlichen Staaten aufgewachsenen Muslime auf seine Seite zu ziehen. Kämpfer im Siegesrausch, unendlich erscheinende Pickup-Kolonen, heroische Musik. Die Masche ist bekannt. „Alles gelogen“, stellt Todenhöfer klar. „Das Leben in Mossul ist erbärmlich.“ Junge Muslime, die es in die Gebiete des „Islamischen Staates“ zieht, erwartet nicht etwa das Paradies, wie die Propaganda glauben lässt, sondern vor allem Armut und die Banalität des Bösen. All das zeigen auch die Aufnahmen, die im Film einen direkten Einblick ermöglichen. Gezeigt werden soll die Dokumentation auch in den Ländern der arabischen Welt, an den Übersetzungen wird bereits gearbeitet.

Anders als in vielen Fällen, finden die Aussagen des engagierten Journalisten – alle Einnahmen seiner Werke und Vorträge fließen an Kinderhilfsprojekte in Syrien und Gaza – nicht nur im Elfenbeinturm des Politikbetriebes Widerhall. Wie bei jeder Veranstaltung mit Jürgen Todenhöfer fällt auch im Zoo Palast wieder der hohe Anteil junger Muslime im Publikum auf. Es ist gut vorstellbar, dass sich unter ihnen auch Zuschauer befinden, die mit einigen Ideen des IS sympathisieren und durch die Ausführungen an diesem Abend erkennen, dass dieser Weg ins Verderben führt.

Todenhöfer ist auch unter Muslimen eine Instanz, eine Stimme, der man Respekt zollt, die man hört und die man ernst nimmt, wenn sie vor Radikalisierung und Fanatisierung warnt.

IS made by USA. Bildquelle: xryshaygh.com

Doch der 75-Jährige sagt auch andere Sachen, womit man sich im hiesigen Medienbetrieb keine Freunde macht. Neben der glasklaren Ablehnung des „Islamischen Staates“ und der Aufklärung über die Rattenfängereien der Miliz, kritisiert Todenhöfer immer wieder mit scharfen Worten auch die Kriegspolitik des Westens. Die Kriege des US-Imperiums nennt er ein „Terrorzuchtprogramm“, macht klar, dass ein Zusammenhang besteht zwischen dem kriegerischen Überfall einer ganzen Reihe von Staaten und dem Entstehen des IS, bringt immer wieder Verständnis für die Wut der Muslime auf den Westen auf, betont aber auch, dass all dies keine Entschuldigung und Rechtfertigung für die Gräueltaten der Radikalen ist.

Ebenfalls thematisiert wird in der anschließenden Diskussion ein einschlägig bekannter DIA-Bericht, in dem der militärische Geheimdienst der USA offen zugibt, die Entstehung des Islamischen Staates im Jahre 2012 aus strategischen Gründen zugelassen zu haben. Vor rund einem Jahr erstritt die Bürgerrechtsorganisation Judical Watch die Freigabe der Dokumente vor Gericht.

Todenhöfer hat starke Zweifel daran, dass die USA den IS wirklich gänzlich ausschalten wollen. Offenbar liegt es eher im US-amerikanischen Interesse, die Terrormiliz als Werkzeug und Spaltpilz gegen verschiedene konkurrierende Volksgruppen einzusetzen. Ein Spiel mit dem Feuer, wie spätestens die Anschläge in Paris vom 13. November 2015 zeigten.

Die schonungslose Abrechnung mit der imperialen Kriegspolitik des Westens gegen die islamische Welt beschert dem Autor und Journalisten die Gegnerschaft einer Querfront der besonders unappetitlichen Art. Neben stramm transatlantisch geeichten Mainstreamjournalisten, wie Josef Joffe, dem Herausgeber der Zeit, positionieren sich vor allem sogenannte „Antideutsche“ - eine krude, aus der politischen Linken hervorgegangene Politsekte - gegen Todenhöfer.

Es sind die selben Kreise, die jüngst mit einem Tortenwurf auf Sahra Wagenknecht, einer weiteren scharfzüngigen Kritikerin der US-Politik, für Empörung sorgten. Transatlantischen und neoliberalen Interessen sind diese Fußtruppen der Stimmungsmache jedoch höchst willkommen und erhalten so auch umfangreiche Unterstützung. RT Deutsch-Gastautor Dr. Hauke Ritz widmete dem Phänomen kürzlich eigens einen Debattenbeitrag.

Zur gestrigen Vorführung von „Inside IS“ hat diese Bastardierung aus der deutschen Linken und dem neoliberalen Zeitgeist sogar eine Demonstration vor dem Zoo Palast organisiert. Polizeilich angemeldet waren 80 Teilnehmer, gekommen sind allerdings nur sechs. Auf einem Banner stand zu lesen „Nieder mit dem IS und seinen Apologet*innen – Gegen Islamismus, Rassismus und Antisemitismus.“

Antideutsches Graffiti:

In der wirren Welt der Transatlantifa ist Todenhöfer ein „Unterstützer des IS“. Gegenüber vorbeilaufenden Passanten denunzieren die Demonstrationsteilnehmer - bei denen sich auch der Ex-Pirat, Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses und Vorsitzende des BER-Untersuchungsausschusses Martin Delius befand - den Autor überdies als „Antisemiten“. Ein beliebtes Mittel in diesen Kreisen, um Kritiker an der israelischen Besatzungspolitik und an den US-Kriegen mundtot zu machen.

Ein Gespräch mit RT lehnen die Demonstranten ab, ein Kinobesucher, der rund zehn Minuten mit einer der Protestierenden diskutierte, bezeichnet die Argumente der Todenhöfer-Gegner jedoch später als wirr. „Da wird vieles in einen Topf geworfen oder trifft schlichtweg nicht zu“.

Auch Frédéric Todenhöfer sind die Demonstranten bereits bekannt. Gegenüber RT gibt er an, dass dieselbe Gruppierung mit just demselben Banner vor zwei Tagen auch in Essen protestierte. Offenbar ist man gut vernetzt und verfügt über finanzielle Unterstützung. Trotz der professionellen Logistik erschienen vor der Lichtburg jedoch auch nur zwölf Demonstranten.

Eine Lesung zu „Inside IS“ an der Uni Essen vor einem Jahr wollten die selbsternannten Polit-Kommissare gar verhindern, indem sie Druck auf die Universitätsverwaltung ausübten. Auch hier wieder: Denunziation, Diffamierung, üble Nachrede.

Wo

Es erinnert ein wenig an das, was Todenhöfer später im Saal sagen wird: Man müsste eigentlich vom „Antiislamischen Staat“ sprechen, bei dem Häuflein selbsternannter „Antifaschisten“ vor der Tür kann man die Vorsilbe hingegen getrost streichen.

Doch an diesem Tag wird die Anzahl der Demonstranten nicht mehr zweistellig. Die Rede, die einer der Teilnehmer hält, in der die Publikationen NachDenkSeiten und Die Freiheitsliebe attackiert werden und die mit den Worten „Nieder mit Deutschland“ endet, findet neben dem anwesenden RT-Reporter nur zwei weitere Zuhörer.

Es bleibt also ein gewinnbringender Abend: Im Kinosaal wurde der einen Sorte verbohrter Ideologen die Maske vom Gesicht gerissen, vor dem Saal einer anderen.

Sendehinweis: Jürgen Todenhöfer ist auch zu Gast in der morgigen Ausgabe von Der Fehlende Part. Wie immer freitags um 19:30 Uhr auf RT Deutsch. Am Montag folgt das ausführliche Interview auf unserem Kanal.

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