Ägyptischer Abgeordneter rechtfertigt Genitalverstümmelung

IGFM: starker Widerstand bei der Überwindung weiblicher Genitalverstümmelung in Ägypten

Öffentlich verurteilt die ägyptische Regierung Genitalverstümmelung. In der Praxis ignorieren die Behörden das Problem jedoch komplett. Im Bild:

Der Kampf zur Überwindung der in Ägypten weit verbreiteten weiblichen Genitalverstümmelung trifft nun auch bei Abgeordneten des ägyptischen Parlaments auf offenen Widerstand. Ahmed el-Tahawy, Mitglied des parlamentarischen Gesundheitsausschusses und selbst Arzt, erklärte am Montag in einer Rede vor dem ägyptischen Parlament, dass weibliche Genitalverstümmelung von einem religiösen und gesundheitlichen Standpunkt aus gesehen eine Notwendigkeit sei. Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) kritisierte diese Äußerungen scharf und appellierte an muslimische aber auch an christliche-koptische Autoritäten Ägyptens, die weibliche Genitalverstümmelung endlich deutlich und uneingeschränkt zu verdammen. 

Der Abgeordnete el-Tahawy behauptete u. a., dass „bei Frauen, die nicht beschnitten werden, in diesem Bereich eine Verunreinigung stattfindet, ebenso wie ein unerwünschter Zustand der sexuellen Erregung, der zu großen Problemen führen kann.“ Anlass für die Rede war eine Beratung des ägyptischen Parlaments über einen Gesetzentwurf, der schärfere Strafen für die Verstümmelung weiblicher Genitalien vorsieht. Die IGFM sieht in dem Entwurf zwar ein positives Signal, das eigentliche Problem sei aber, dass die sogenannte „Beschneidung“ von Mädchen in der Praxis von den Behörden toleriert werde.

Genitalverstümmelung ist seit dem Jahr 2008 in Ägypten gesetzlich verboten – außer, wenn die Verstümmelung „medizinisch notwendig“ sei. „In der Praxis ignorieren die ägyptischen Behörden das Problem komplett. Jedes Jahr werden zehntausende Mädchen in Privatkliniken verstümmelt. Der Erfolg jahrelanger Arbeit gegen diese Grausamkeit ist in Ägypten bisher marginal“, erklärt IGFM-Vorstandssprecher Martin Lessenthin.

IGFM appelliert an religiöse Autoritäten

Den Hauptgrund dafür sieht die IGFM darin, dass sich die in Ägypten außerordentlich einflussreichen religiösen Autoritäten nicht dazu durchringen können, die Genitalverstümmelung deutlich zu verurteilen – oder sie im Gegenteil sogar offen rechtfertigen. Zu den wichtigsten Befürwortern gehören einflussreiche Scheichs der Al-Azhar Universität, die Muslimbruderschaft und salafistische Gruppen.

Auch das Oberhaupt der Koptisch-Orthodoxen Kirche hat bisher die Genitalverstümmelung nicht öffentlich verurteilt, obwohl mehrere kirchliche Initiativen seit Jahrzehnten versuchen, das Problem zu überwinden. Genitalverstümmelung ist bei christlichen Ägypterinnen fast ebenso weit verbreitet wie bei muslimischen.

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