»Aufschrei gegen die Hochfinanz«: Folgt den Geld- und Spekulationsblasen eine Revolution?

Markus Gärtner

David Stockman, der damalige Budgetdirektor von Ronald Reagan, hat jetzt in seinem viel beachteten Klartext-Blog auf den Punkt gebracht, was das politische Establishment Europas in Angst und Schrecken versetzt: »Das Endgame der seit 20 Jahren währenden Blasenwirtschaft« wird eine »politische Revolte« sein. Anders ausgedrückt: Wenn die immensen Geld- und Preisblasen, die westliche Notenbanken einschließlich der EZB geschaffen haben, platzen, werden die Heugabeln herausgeholt.



Die Volksabstimmung der Briten hat dieses Szenario noch wahrscheinlicher gemacht. So muss selbst die Financial Times zugeben, dass die Brexit-Revolte auch »ein Aufschrei gegen die Hochfinanz« ist.

Mit gutem Grund: Unsere Gesellschaften sind nach jahrzehntelangen Schuldenorgien, zunehmender Geldentwertung, Sparer-Repression, skandalösen Bankenrettungen, zunehmend prekären Arbeitsverhältnissen und endloser Geldvermehrung mit immer unerschwinglicheren Preisen für Wohnraum polarisiert wie nie.

Die laufende Flüchtlingswelle löst zudem am Arbeitsmarkt einen Verteilungskampf mit den existierenden Geringverdienern aus. Stagnierende Reallöhne, wegfallende Zinseinnahmen auf Ersparnisse und gleichzeitig steigende Abgaben und Steuern zwingen außerdem weite Teile des Mittelstands in einen sozialen Abstieg.

Verteilungskämpfe sind vorprogrammiert. Immer mehr Menschen in diesem Land zählen nicht mehr zu den Gewinnern der Entwicklung. Dass Europas regierende Politiker mit keiner der vielen aktuellen Herausforderungen – von der Flüchtlingskrise über die wachsenden Schuldenberge bis hin zu Griechenland – fertigwerden, spitzt alles weiter zu.

Resultat: überall auf dem Kontinent macht sich Revolutionsstimmung breit. Mit Wahlenthaltung ging es los. Mit dem rasanten Aufkommen von Protestparteien geht es weiter.

Inzwischen breitet sich eine Jetzt-ist-aber-Schluss-Stimmung wie ein Flächenbrand aus, von den Demonstrationen, die Frankreich lähmen, über die Reform- und Bankenkrise in Italien, die Premier Matteo Renzi in Form der 5-Sterne-Bewegung an die Wand drückt, bis hin zu Schlagzeilen über Angela Merkel in Deutschland: »Acht Jahre Kanzlerschaft sind wirklich genug.«

Die Mainstream-Medien beschreiben den beginnenden Volksaufstand jedoch ganz überwiegend lieber als »Antwort aus dem falschen Jahrhundert« und den Wutausbruch von geistig zurückgebliebenen Hinterwäldlern.

Dass zwei Drittel der Deutschen Merkel nicht weiter als Kanzlerin wollen, haben die Leitmedien schon wenige Tage nach der entsprechenden Umfrage wieder verdrängt, wenn sie es überhaupt berichtet haben.

Agitierende Wutjournalisten versuchen unterdessen verzweifelt, den Spieß umzudrehen und den Schuldigen für die Misere im dämlichen Volk zu finden: »Das System sucht den gemeinsamen Außenfeind«, heißt es auf der Webseite unzensuriert.at treffend.

Dort werden die Anfänge des Aufstands, den David Stockman ankündigt, nachrichtlich völlig korrekt so wiedergegeben: »In Großbritannien stimmt eine knappe Mehrheit für den Abschied aus der EU. In Österreich wählt rund die Hälfte der Bürger den Kandidaten der patriotischen Opposition ... Auch in Frankreich, Deutschland und zahlreichen anderen Staaten erstarkt die freiheitliche Opposition.«

Selbst ein Mainstream-Blatt wie Die Welt – die neuerdings zaghafte Ausbruchsversuche aus dem erzieherischen Nachrichten-Einheitsbrei wagt ‒ sagt schon das nächste »Anti-Europa-Votum« vorher: »Seit dem Brexit-Votum spitzt sich die Lage für Italiens Banken zu. Es klafft eine Milliardenlücke. Premier Renzi muss die Geldhäuser dringend retten. Ansonsten droht ihm die Ablösung durch sein Volk.«

Genau das ist das Brisanteste am Brexit: Obwohl sich weite Teile der politischen Kaste, der Medien und der Wirtschaft auf der Insel gegen den EU-Ausstieg gestemmt haben – und den Briten einen wirtschaftlichen Niedergang an die Wand malten ‒ konnten sie das Votum nicht verhindern. So groß ist der Zorn im Volk geworden.

Am 22. Mai in Österreich, bei der Stichwahl zum Bundespräsidenten, war es dem vereinten Mainstream das vorerst letzte Mal gelungen, den Dammbruch zu verhindern. Doch selbst dort gibt es jetzt dank dem Verfassungsgerichtshof einen weiteren Anlauf, den NATO-genehmeren Sieger aus der ersten Stichwahl in einem zweiten Durchgang zu verhindern. Am 2. Oktober wird die Stichwahl wiederholt.

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