Cyborg-Heuschrecken als Bomben-Detektoren: US-Marine finanziert Forschungsprojekt

Andreas von Rétyi

Die Idee klingt weit hergeholt: Heuschrecken sollen Bomben gezielt aufspüren. Dennoch, die Universität Washington erhielt kürzlich vom US-Militär einen mit 750 000 US-Dollar dotierten Auftrag, genau dieses Ziel zu erreichen. Das bizarre Konzept steht bereits, erste Forschungen sind im Gange. Schon in einem Jahr soll die erste Cyborg-Heuschrecke fertig sein.



Eigentlich ein recht simpler Einfall: Das Militär will die hypersensiblen Sinnesorgane für seine Zwecke nutzen. Heuschrecken verfügen über eine hervorragende Geruchswahrnehmung. Innerhalb von Millisekunden speichert das Gehirn gewöhnlicher Heuschrecken einen ihm neuen olfaktorischen Reiz, verarbeitet die chemischen Informationen in Windeseile.

Das Tier reagiert hochsensibel und kann auf spezifische Gerüche, wie sie auch von Sprengstoffen ausgehen, perfekt »abgerichtet« werden, um die Verfolgung aufzunehmen.

Selbst mit modernster Sensortechnik würde das nicht klappen. Deshalb will das Office of Naval Research, eine führende Forschungseinrichtung der US-Marine, jene enormen Fähigkeiten für praktische Einsätze nutzen und hat daher den Bio-Ingenieur Professor Baranidharan Raman von der Uni Washington beauftragt, seine bereits begonnenen Arbeiten auf diesem Gebiet in den nächsten drei Jahren intensiv fortzusetzen. Immerhin stellt ihm das Militär hierzu rund 750 000 US-Dollar zur Verfügung.

So einfach die Grundidee klingt, ihre Realisierung scheint eher schwierig zu sein. Doch Professor Raman und einige seiner Kollegen haben bereits Mittel und Wege gefunden, Heuschrecken zu manipulieren und sie exakt das tun zu lassen, was das Militär von ihnen verlangt. Was Tierschützern eher übel aufstößt, lässt die Herzen der Forscher höher schlagen.

Hier können sie mit natürlichen Sensoren arbeiten, deren Empfindlichkeit jede noch so ausgefeilte Technologie in den Schatten stellt. Diese Sensoren mithilfe moderner Technologie anzuzapfen und ihr lebensrettendes Potenzial auszuschöpfen, liefert Ansporn genug, vor allem, wenn die Finanzierung bereits gesichert ist.

Professor Raman: »Warum soll man das Rad neu erfinden? Warum keinen Vorteil aus der biologischen Lösung ziehen? Das ist hier unsere Philosophie. Sogar die aktuellen miniaturisierten Detektoren für chemische Stoffe bestehen aus einer Handvoll Sensoren. Wenn Sie sich demgegenüber einmal eine Insekten-Antenne ansehen, an der sich die Chemiesensoren befinden, dann gibt es dort etliche Hunderttausend Sensoren verschiedenster Art.« Auch hier hat die Natur die Nase gegenüber der Technik geradezu buchstäblich ganz weit vorne.

Was beabsichtigen die Forscher nun genau zu tun? Ihr Vorgehen soll in mehreren Schritten verlaufen. Im ersten Schritt geht es darum, sich direkten Zugriff auf jene Insekten-Antennen zu verschaffen. Also wollen sie Sensoren implantieren, die in der Lage sind, die neuralen Aktivitäten aufzuzeichnen und zu entschlüsseln.

Die Sensoren werden dazu in das Gehirn einer Heuschrecke eingepflanzt. »Wir können einen operativen Eingriff an der Heuschrecke vornehmen und diese Elektroden in ihr Gehirn implantieren«, so Raman. Wie er schnell hinzufügt, seien die Tiere in der Lage, »sich innerhalb weniger Stunden zu erholen, und sie können laufen und sich verhalten, als ob überhaupt nichts geschehen sei«.

Nun lassen sich allerdings die im Labortest verwendeten Sensoren so nicht im Feld einsetzen, dort, wo die Tiere über große Distanzen frei beweglich sein müssen. Also geht es darum, einen winzigen »Rucksack« zu entwickeln, von dem dann auch Signale an einen mit LED ausgestatteten Empfänger gesendet werden. Leuchtet die LED rot auf, ist Gefahr in Verzug: Die Heuschrecke ist auf Sprengstoff gestoßen. Leuchtet sie grün, besteht kein Anlass zur Sorge.

Eine Ampel der ganz besonderen Art! Damit sind aber noch nicht alle Probleme gelöst – für die Heuschrecke beginnen sie erst. Innerhalb der nächsten drei Jahre soll es unter anderem darum gehen, die Heuschrecken auf den richtigen Kurs zu bringen. Das Militär will sie schließlich an die kritischen Gebiete heranführen, dorthin, wo Bomben vermutet werden.

Mit dieser Aufgabe befasst sich vor allem Ramans Kollege, Professor Srikanth Singamaneni, ein Materialwissenschaftler. Er arbeitet an einer biokompatiblen Seide, die auf die Heuschreckenflügel aufgebracht wird und auf Lichtsignale reagiert. Trifft ein Laserstrahl diese Spezialschicht, wandelt sie das Licht in Wärme um. Die steigende Temperatur wirkt auf den jeweiligen Flügel ein und zwingt das Insekt, einen bestimmten Kurs zu fliegen. Im Prinzip eine biotechnische Funkfernsteuerung.

Im kommenden Jahr soll ein Prototyp dieser Cyborg-Heuschrecken geschaffen sein. Wissenschaftler und Medien verweisen auf die konsequente Entwicklung solcher Technologien und vor allem darauf, dass Tiere schon lange genutzt werden, um dem Menschen beim Aufspüren von Gefahrenherden zu helfen – ob nun Minensuch-Delfine, spionierende Seelöwen oder natürlich gerade auch Spürhunde, die für unterschiedlichste Zwecke eingesetzt werden.

Doch überschreitet insbesondere die militärische Forschung oft sensible Grenzen. Das liegt zwar in der Natur der Sache, ändert aber nichts an den Tatsachen. Wer sich nicht vor Augen führt, wohin das alles in Zukunft noch führen muss, dem mangelt es wohl an plastischerem Vorstellungsvermögen und Realitätsbezug.

Denn was hier geschieht, das sind gerade einmal die Anfänge einer bedenklichen Entwicklung, Pionierarbeit auf einem neuen Gebiet voller Möglichkeiten.

Wir sollen schrittweise daran gewöhnt werden, dass die Integration von Technologie, von Chips, Sensoren und Mikroprozessoren in biologische Organismen und eben nicht zuletzt in unseren Körper, etwas ganz Normales ist. Und genau das ist es eben nicht.

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