Moskau ist um Ankaras jüngstes Vorgehen im Norden Syriens besorgt,
während Washington sie befürwortet, wie die "Nesawissimaja Gaseta" am
Freitag schreibt.
Der US-Flugzeugträger Harry S.Truman im Mittelmeer
© AFP 2016/ Angus Mackinnon
Syrien: Nato und USA gehen allmählich zu „Plan B“ über
Der Sprecher des Weißen Hauses, Josh Earnest, nannte das Vorgehen der
türkischen Armee „einen wesentlich Fortschritt“. Experten schließen
nicht aus, dass die von dem türkischen Präsidenten Erdogan begonnene
Operation „Schutzschild Euphrat“ in noch intensivere Kriegshandlungen in
der ganzen Region ausarten könnte, das derzeit vom sogenannten
Islamischen Staat kontrolliert wird.
Das bestätigte indirekt auch Erdogan selbst, als er sagte, die Türkei
wolle „alle Gefahren für ihre Bürger beseitigen und die schwierige
Aufgabe zur Gewährleistung der Sicherheit des Landes lösen“. Türkische
Panzer haben bereits unter Mitwirkung der oppositionellen Freien
Syrischen Armee (FSA) und der US-Fliegerkräfte die syrische Stadt
Dscharabulus vom IS befreit. Das könnte bedeuten, dass die türkische
Armee und die FSA die wichtigste Schlagkraft beim Bodeneinsatz der von
den USA angeführten Koalition sind. Im Grunde hat damit die Umsetzung
des sogenannten „Plans B“ begonnen, von dem US-Präsident Barack Obama
mehrmals gesprochen hatte.
Syrien: Moskau macht Washingtons „Plan B“ zunichte
Türkischer Panzer auf dem Weg nach syrischem Dscharabulus
© AFP 2016/ Bulent Kilic
Russisch-türkische Nähe ermöglichte Ankaras Syrien-Einsatz –
Experten-Interview
Reuters teilte unter Berufung auf einen hochrangigen türkischen Offizier
mit, dass am Donnerstag mindestens neun weitere Panzer die
türkisch-syrische Grenze überquert hätten. Damit befinden sich in Syrien
bereits mehr als 20 Panzer, wobei Ankara durchaus noch weitere Kräfte
in das Nachbarland verlegen könnte.
Natürlich ist darüber nicht nur Damaskus, sondern auch die kurdische
Führung empört. Die Türken kämpfen nicht nur gegen den IS, sondern
beschießen auch die Positionen der Kurden. Der jüngst in Ankara
eingetroffene US-Vizepräsident Joe Biden erklärte seinerseits, die
syrischen Kurden sollten sich auf das östliche Euphrat-Ufer zurückziehen
– sonst würden sie die Unterstützung der Amerikaner verlieren. Seitens
Washingtons ist das nichts als Verrat, denn mithilfe des kurdischen
Volksheeres hatten die USA zuvor die strategisch wichtige Stadt
Manbidsch westlich des Euphrats vom IS befreit.
Mehr zum Thema: Türkischer Premier erklärt „Grenz-Säuberung“
Übrigens hatten sich am Manbidsch-Einsatz auch die FSA-Kämpfer
beteiligt. Und jetzt sind sie Verbündete nicht nur der Amerikaner,
sondern auch der Türken geworden.
Türkische Spezialeinheiten starten Offensive in Dscharabulus
© AFP 2016/ Bulent Kilic
Echo auf türkischen Syrien-Einsatz: „Erdogan braucht Russlands
Komplimente nicht“
Die russische Seite hatte der FSA öfter Verletzungen der Waffenruhe
vorgeworfen. Und die syrischen Regierungstruppen kämpfen gegen die FSA.
Vorerst hat das russische Außenministerium lediglich seine Besorgnis
über die Handlungen Ankaras geäußert und die Kurden verbal unterstützt.
Es ist allerdings schon jetzt klar, dass die türkische Armee nicht nur
den IS, sondern auch das kurdische Volksheer bekämpfen wird. Es sei
offensichtlich, so hieß es, dass es in Moskau nicht gefallen wird, dass
im Norden Syriens ein neuer Spannungsherd entsteht, während die
territoriale Integrität des Landes wieder in Gefahr schwebt.
Inzwischen hat der Befehlshaber der US-Truppen im Irak und in Syrien,
General Stephen Townsend, erklärt, er sehe die Perspektiven des
Zusammenwirkens mit Russland in Syrien äußerst skeptisch. Damit gab er
zu verstehen, dass die Amerikaner und Türken die Kriegshandlungen in
Syrien führen werden, ohne sie mit der russischen Gruppierung
abzusprechen.
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