Nicht der erste Unbequeme: Literaturnobelpreisträger vor Bob Dylan

Bob Dylan während eines Konzerts im Wiltern Theatre, Los Angeles, Mai 2004.
Bob Dylan während eines Konzerts im Wiltern Theatre, Los Angeles, Mai 2004.
 
Die Schwedische Akademie ist verstimmt. Bob Dylan äußert sich immer noch nicht zu seiner Auszeichnung mit dem Literaturnobelpreis 2016. Ein Jurymitglied spricht mittlerweile sogar von "Arroganz". Dabei ist Dylan nicht der Erste, der für Ärger sorgt. 
 
Kein Anschluss unter dieser Nummer: Bob Dylan ist und bleibt unerreichbar. So lautet immer noch der Stand der Dinge mit Blick auf den diesjährigen Literaturnobelpreisträger. Ist es nur das amerikanische Telefonnetz? Man kann über seine Beweggründe im Moment nur spekulieren. Ob die Folkikone tatsächlich keine Lust auf den Preis hat oder einfach nur mit seinem Image als unberechenbarer Künstler kokettiert, bleibt unklar.

Bob Dylan ist allerdings nicht der erste Künstler, der dem Komitee in Stockholm die Schweißperlen auf die Stirn treibt. In der langjährigen Geschichte des Literaturnobelpreises, der im Jahr 1901 erstmals an Sully Prudhomme vergeben wurde, gab es immer wieder mal Ärger. Dreimal kam es sogar vor, dass der Preisträger die Ehrung ablehnte.

Das erste Mal geschah dies im Jahr 1925 durch G.B. Shaw, geehrt für seine "sowohl von Idealismus als auch von Humanität getragene Verfasserschaft, deren frische Satire sich oft mit einer eigenartigen poetischen Schönheit vereint". Doch G.B. Shaw lehnte den Preis zunächst ab. Der überzeugte, wenngleich undogmatische Sozialist konnte sich in seinem für ihn typischen Sarkasmus den Kommentar nicht verkneifen, "dass die Auszeichnung ein Zeichen von Dankbarkeit und ein Gefühl von weltweiter Erleichterung sei, da er in diesem Jahr noch nichts veröffentlicht" habe.

Ein Jahr später nahm er den Preis aber doch noch an. Er spendete das Preisgeld aber sogleich der neugegründeten Stiftung zur Förderung des schwedischen und englischen Literatur- und Kunstaustausches.

Der zweite Fall, in dem ein Autor den begehrten Preis ablehnte, ereignete sich 1958. Boris Pasternak erhielt die Auszeichnung und reagierte zunächst "überaus dankbar, gerührt, stolz, erstaunt, beschämt".

Doch der Preis schlug in der Sowjetunion hohe Wellen. Die Verleihung wurde als Provokation und feindseliger Akt gegenüber der sozialistischen Weltmacht angesehen. Unter diesem Eindruck lehnte Pasternak den Preis ab. Es nützte ihm jedoch nichts, da er trotzdem aus dem Sowjetischen Schriftstellerverband ausgeschlossen wurde.

In diesem Zusammenhang ist ebenfalls interessant, dass die russische Erstpublikation von Pasternaks berühmtestem Roman "Doktor Schiwago", der erstmals 1957 in übersetzter Form in Italien erschien, von der CIA gesponsert wurde. Was nach wilder Verschwörungstheorie klingt, ist literaturgeschichtlich geprüft und nachzulesen in dem Buch "Der gewaschene Roman" des russischen Historikers Iwan Tolstoi.

Tolstoi hatte 20 Jahre lang die Publikationsgeschichte des Bürgerkriegsepos von Pasternak durchforstet. Resultat: Die Amerikaner bekämpften die Sowjetunion auch auf dem Feld der Literatur. Pasternak war übrigens nicht der einzige sowjetische Autor, dem westliche Geheimdienste bezüglich der Publikation bestimmter Werke unter die Arme griffen. Zu nennen sind hier sicher auch Andrej Sacharow und die in der Sowjetunion unerwünschte frivole Lyrik von Puschkin und Lermontow.


Der nächste Autor, der für Aufsehen sorgte, war Jean-Paul Sartre. Der französische Philosoph und Autor sollte 1964 mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet werden. Und lehnte ebenfalls ab.
Angeblich soll Sartre, der bereits Tage vor der Auszeichnung als aussichtsreichster Kandidat galt, schon vorab die Akademie in Stockholm darüber informiert haben, dass er den Preis ablehnen würde.
Als es dann soweit war - und das ist eine kleine Parallele zum aktuellen Preisträger -, war er zunächst nicht auffindbar. Er war weder in seiner eigenen Wohnung noch in der seiner Lebensgefährtin Simone de Beauvoir zu fassen zu bekommen. Halbstündlich tickerten die Fernschreiber immer neue Einzelheiten über den Globus. Schließlich fand man ihn: beim Mittagessen mit Simone de Beauvoir in einem kleinen Restaurant am linken Seine-Ufer.

Sartre erneuerte sofort seinen Entschluss, den Preis abzulehnen. "Aus persönlichen, wie auch sachlichen Gründen", wie er damals in die Mikrofone sprach. Eine spätere Erklärung von ihm, brachte etwas mehr Aufklärung:
Der einzige Kampf an der Kulturfront, der heute möglich ist, ist der Kampf für die friedliche Koexistenz der beiden Kulturen – jener im Osten und jener im Westen [...]. Ich persönlich empfinde die Widersprüche zwischen den beiden Kulturen sehr tief; ich bin durch diese Widersprüche geformt worden.
Meine Sympathien gehören unzweifelhaft dem Sozialismus... Aber ich wurde in einer bürgerlichen Familie geboren und erzogen. Dies gestattet mir, mit all jenen zusammenzuarbeiten, die eine Annäherung der beiden Kulturen wünschen... Aus diesem Grund kann ich aber keinerlei von kulturellen Organisationen verliehene Auszeichnungen annehmen, weder des Ostens noch des Westens ...
Obwohl alle meine Sympathien den Sozialisten gehören, könnte ich dennoch gleicherweise zum Beispiel einen Lenin-Preis nicht annehmen... Diese Haltung hat ihre Grundlage in meiner Auffassung von der Arbeit eines Schriftstellers. Ein Schriftsteller, der politisch oder literarisch Stellung nimmt, sollte nur mit den Mitteln handeln, die die seinen sind – mit dem geschriebenen Wort.
Alle Auszeichnungen, die er erhält, können seine Leser einem Druck aussetzen, den ich für unerwünscht halte. Es ist nicht dasselbe, ob ich mit "Jean-Paul Sartre" oder "Jean-Paul Sartre, Nobelpreisträger" unterzeichne.
Gerüchten zufolge soll Sartre Jahre später, 1975, dennoch nachgefragt haben, ob man ihm die Preissumme von 230.000 Schwedischen Kronen nicht doch noch auszahlen könne. Er wolle einen Freund bei der Gründung eines Verlags unterstützen. Mit negativem Bescheid: Alle Preisträger müssen laut Statuten ihr Preisgeld innerhalb eines Jahres einfordern, sonst fließt das Geld in den Nobelfonds zurück.

Gespannt wartet die Welt nun darauf, zu erfahren, woran es bei Bob Dylan hakt. Fortsetzung folgt.

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