Imame als Spitzel Ankaras - Türkische Religionsbehörde fordert Infos über Gülen-Anhänger in Deutschland
Offenbach
- In einem Schreiben der obersten türkischen Religionsbehörde Diyanet
werden die Imame im Ausland aufgefordert, Informationen über Anhänger
des in den USA lebenden Predigers Fethullah Gülen zu sammeln. Der größte
islamische Verband in Deutschland, Ditib, kennt eine solche Direktive
aus Ankara aber angeblich nicht.
Von Erkan Pehlivan
Ist
die Türkisch Islamische Union der Anstalt für Religion e.V., kurz
Ditib, unabhängig? Offiziell heißt es „Ja“. Entscheidungen würden
unabhängig von der Türkei getroffen, so der größte islamische Verband in
Deutschland. Doch so einfach ist das nicht. Schließlich kommt der
überwiegende Teil der Imame aus der Türkei. Sie stehen zudem in Kontakt
mit den türkischen Botschaften und Konsulaten in den jeweiligen Ländern.
Ein Schreiben der obersten Religionsbehörde in der Türkei, Diyanet,
könnte die Ditib nun unter Druck setzen. Darin werden die Botschaften,
Konsulate und Religionsbeauftragten im Ausland aufgefordert, sämtliche
Informationen über die Fetö, der sogenannten „Fethullah´schen
Terrororganisation“, zu sammeln und bis zum 27. September 2016 an die
Leitung der Behörde zurückzuschicken. Konkret sollen die Imame
Informationen über Schulen, Hilfsorganisationen, kulturelle Aktivitäten,
Kindergärten sowie sämtliche anderen Strukturen im Ausland sammeln und
nach Ankara schicken, heißt es in dem Papier.
Die türkische Zeitung „Cumhuriyet“
titelte sogar mit „Diyanet ist wie MIT“ – so die Abkürzung für den
türkischen Geheimdienst. Das Blatt zitiert aus konkreten Berichten von
Imamen aus Deutschland. Danach wird etwa eine Nachhilfeschule aus dem
Oberbergischen Kreis von einem Imam in der Region als Terrorzentrale
bezeichnet. In anderen Berichten wird sogar festgehalten, dass die
beobachteten Personen nur zum Gebet am Ramadan- und Opferfest kämen und
nur selten zu den Freitagsgebeten.
Der
hessische Ditib-Landesvorsitzende, Salih Özkan, will von so einer
Direktive nichts wissen. „Wir halten uns aus der Politik raus. Es hat
auch in der Vergangenheit niemals solche Direktiven gegeben,“ so Özkan.
Die Zentrale der Ditib in Köln will auch nichts von einer Aufforderung
zu geheimdienstlicher Arbeit in ihren Reihen wissen. „Es wurde von
niemandem verlangt Informationen über irgendjemanden zu sammeln,“ teilte
die Zentrale der Ditib mit. Der Redaktion liegt aber das entsprechende
Schreiben vor.
Nach dem Putschversuch
vom 15. Juli wurden Schreiben an den Eingängen zahlreicher Gemeinden
angebracht, wonach der Eintritt in die Gebetshäuser für
„Vaterlandsverräter“ verboten sei. Auch hat es in den Gemeinden verbale
Angriffe auf Anhänger des in den USA lebenden Predigers Fethullah Gülen
gegeben. In der Mevlana Moschee in Bad Vilbel wurde ein Aushang
angebracht, der es „Mitgliedern und Sympathisanten“ der Fetö untersagte,
jegliche Propaganda und Aktionen durchzuführen. Was genau aber damit
gemeint war, ließ die Moscheegemeinde der Ditib in dem Aushang offen.
Präsident
Recep Tayyip Erdogan sieht Gülen als Drahtzieher hinter dem
Putschversuch vom 15. Juli. Mit Hilfe der Fetö wollten der Prediger und
seine Anhänger den türkischen Staat vernichten, lautet der Vorwurf der
Regierung in Ankara.
In der Türkei
wurden seit dem Putschversuch zehntausende Menschen wegen des Verdachts
der Mitgliedschaft in einer Terrororganisation verhaftet, unter ihnen
vor allem Polizisten, Lehrer und andere Staatsbedienstete. Zuletzt ließ
Erdogan auch die Redaktion der Cumhuriyet stürmen und ein Dutzend
Journalisten verhaften. Auch ihnen wird die Mitgliedschaft in der Fetö
vorgeworfen. Der ehemalige Chefredakteur Can Dündar musste nach
Deutschland fliehen.
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