Der Mensch als politische Handelsware: Wohin mit den Flüchtlingen?

Der Mensch als politische Handelsware: Wohin mit den Flüchtlingen?
Während sich eine Touristin auf der Insel Kos im Wasser vergnügt, erreichen Flüchtlinge aus Syrien und Afrika das Urlaubsparadies; 8. August 2015.
Nachdem europäische Länder Erdogan und seinen AKP-Kollegen Wahlkampfauftritte verboten hatten, droht er damit, den Flüchtlingsdeal aufzukündigen. Auch Griechenland will keine Flüchtlinge aus Deutschland zurücknehmen und fordert mehr Hilfe von der EU. 
 
Werden uns bald wieder Bilder erreichen, die an 2015 erinnern, als tausende Flüchtlinge über die Ägäis Europa erreichten? Der Balkan hat bereits die Schotten dicht gemacht. Nur noch wenige Flüchtlinge erreichen ihre europäischen Traumziele. Die europäischen Ländern versuchen alles, um weniger Flüchtlinge aufnehmen zu müssen und lagern die moralische Verpflichtung aus.

Das Problem mit den Schutz suchenden Menschen, die in die EU gelangen, wird gerne in andere Länder verschoben. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan droht nun damit, das Abkommen zwischen der EU und seinem Land aufzukündigen.


Im März 2016 hat die EU ein Abkommen mit der Türkei unterzeichnet. Jeder Migrant, der Griechenland erreicht, sollte dem Abkommen zufolge nach 25 Tagen zurück in die Türkei geschickt werden. Im Gegenzug muss eine gleich große Anzahl an Syrern aus der Türkei in einem EU-Land aufgenommen werden. Das Abkommen hat zum Ziel, aus der Illegalität eine Legalität im Bereich des Flüchtlingsstatus zu erwirken. Aber in Realität hat dieses Vorhaben nie funktioniert. Die Flüchtlinge harren in Ungewissheit über ihr Schicksal bis zu einem Jahr in griechischen Unterkünften aus.

Erdogan nutzt seinerseits die Menschenmassen als Druckmittel, um seine Interessen durchzubringen. Die EU gibt gerne vor, dass das Abkommen ein Erfolg der Diplomatie gewesen sei und auch Merkel nutzt diese vermeintliche Errungenschaft gerne für sich. Aber nur fünf Prozent der Flüchtlinge, die es illegal nach Griechenland schaffen, werden auch tatsächlich wieder in die Türkei gebracht.

Unter den Flüchtlingen aus jüngster Zeit sind weitaus weniger Syrer. Die neuen Flüchtlinge stammen meist aus den Maghrebstaaten, Afghanistan, Pakistan und dem Nahen Osten. Bei der Aufnahme und Registrierung macht Griechenland keinen Unterschied zwischen Armutsflüchtlingen und schutzbedürftigen Kriegsflüchtlingen gemacht. Lange Verfahren erschweren die Rückführung und Entscheidungsfindung.

Afghanische und Iranische Schulkinder in Kerman; Iran, 23. Oktober 2016.

Griechenland fühlt sich in der Zwickmühle. Die EU fordert die Rücknahme von Flüchtlingen und das Land selbst, welches kurz vor dem Bankrott steht, fordert von der EU mehr Unterstützung in der Krise. Wenn es nach der Regierung Brüssels ginge, sollten all jene Flüchtlinge, die ab Mitte März in Griechenland gelandet sind und sich dann auf den Weg in Richtung Deutschland, Österreich, Schweden etc. gemacht haben, wieder zurück nach Griechenland gebracht werden. Das Problem Mensch wird zwischen der EU und ihren Mitgliedsstaaten hin- und hergeschoben.

Vor einem Treffen mit Sigmar Gabriel machte Nikos Kotzias, der griechische Außenminister, seiner Wut gegenüber der deutschen Zeitung Die Welt Luft:
Ich sehe nicht, dass Griechenland die Kapazitäten und die finanziellen Mittel hat, um Flüchtlinge aufzunehmen, die aus den nördlichen EU-Ländern zurückgeschickt werden. Es gibt einige EU-Staaten, die denken, dass sie Süditalien und Griechenland als geschlossene Boxen gebrauchen können, wo man Flüchtlinge lagern kann.
Innerhalb der vergangenen zwei Jahre erreichten 1,3 Millionen Geflüchtete Griechenland. Derzeit befinden sich rund 61.000 Flüchtlinge in Griechenland, von denen über die Hälfte Frauen und Kinder sind. Das Projekt für Flüchtlingsrechte prangerte die katastrophalen Zustände in den griechischen Aufnahmelagern an, in denen die Grundbedürfnisse der Menschen nicht gedeckt seien.

Um die Winterkälte zu überstehen und um die dünnen Sommerzelte durch wetterfeste Container auszutauschen, stellte die EU 90 Millionen Euro für Griechenland bereit. Nach 20 Uhr, wenn keine Helfer mehr zugegen sind, sind die Flüchtlinge sich selbst überlassen. Viele Frauen und Kinder sind bereits spurlos verschwunden. Europol schätzt, dass 10.000 Kinder zum Opfer von Menschenhandel geworden sind.

Menschenrechtler berichten von zunehmenden psychischen Störungen unter Flüchtlingskindern (Symbolbild)

Durch das Flüchtlingsabkommen versuchen viele Flüchtlinge in der Not den Weg von Libyen aus nach Europa. Eine weitaus gefährlichere Route: Auf Lesbos warten die Gestrandeten auf eine Lösung, die sie mit der Fähre auf das griechische Festland bringt und ihren Asylantrag in Griechenland genehmigt - oder die Rückführung in die Türkei. Aber schon hier zeigt sich die neue Linie Erdogans: Die Türkei weigert sich, die Flüchtlinge zurückzunehmen.

Dimitris Christopoulos, Präsident der Internationalen Föderation für Menschenrechte, ist gegenüber der New York Times der Ansicht, dass der schlechte Umgang mit den Flüchtlingen willentlich der Abschreckung diene:
Es überbringt eine Nachricht an die Migranten: Kommt nicht!
Auch die rechtspopulistischen Kräfte in Europa wollen abschrecken und die Boote zur Rückkehr bewegen. Abseits der Problemauslagerung scheint aber auch Brüssel keine Lösung parat zu haben. Der türkische Innenminister Suleyman Soylu warnte die EU und drohte damit, dass die Türkei jeden Monat 15.000 Menschen die Flucht nach Europa ermöglichen werde. Nikos Kotzias sagt, Griechenland hätte die oberste Grenze seiner Möglichkeiten erreicht. Eine Aufkündigung des Flüchtlingsabkommens hätte den Kollaps zur Folge.

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