Syriengespräche in Genf: Westliche Gönner drängen Rebellenvertreter zum Verhandeln

Syriengespräche in Genf: Westliche Gönner drängen Rebellenvertreter zum Verhandeln
Die vierte Runde der Syrien-Gespräche in Genf ging am Freitag zu Ende. Medien verbreiten wie gewohnt skeptische Töne und Schuldzuweisungen. Fakt ist: Die Konfliktparteien werden weiterhin miteinander sprechen – am 14. März in Astana und am 20. März in Genf. 
 
von Karin Leukefeld, Beirut

Anschläge in Homs, Streit um Hilfslieferungen, unbewiesene Vorwürfe gegen die syrische Regierung und ihre russischen Verbündeten rund um deren Einsätze in und um Aleppo: Nichts konnte den neuen diplomatischen Anlauf für Frieden in Syrien stoppen. Die Konfliktparteien traten am Freitag in Genf zusammen und vereinbarten gleich zwei Folgetermine, die noch im März stattfinden sollen.

Verhandlungsdelegationen in Genf

Täglich waren die Delegationen der syrischen Regierung und der Oppositionellen im Vorfeld der Gespräche mit dem UN-Sondervermittler Staffan De Mistura in Kontakt.

Dieser besuchte die Delegation des Hohen Verhandlungsrates (HNC), der so genannten Riad-Gruppe), sogar in ihrem Genfer Hotel, dem Crown Plaza. Der Presse gegenüber zeigten sich die verschiedenen Gruppen meist diplomatisch, Fragen wurden eher ausweichend beantwortet, was Raum für Interpretationen ließ.

Syriengespräche in Genf

Dabei war es nicht immer einfach, die verschiedenen Seiten in Bewegung zu halten. Die libanesische Tageszeitung An Nahar veröffentlichte einen Text, der von verschiedenen Nachrichtenagenturen, unter anderem Reuters und AFP, verbreitet worden war. Dieser basierte vermutlich auf einem Hintergrundgespräch mit Diplomaten aus dem Umfeld der Gesprächsteilnehmer. Diese plaudern dem Inhalt des Dokuments zufolge über das Geschehen hinter den Kulissen.

Ausländische Gönner mussten Druck auf Riad-Gruppe ausüben
So habe De Mistura beispielsweise einen recht einseitigen Verhaltenskodex an die Delegationen von Regierung und Opposition verteilt. "Keine Mobiltelefone, keine Aufnahmegeräte, keine beleidigende Sprache", wurde darin verlangt. Alle Eingeladenen müssten respektiert, aufrührerische Reden unterlassen werden, forderte De Mistura. Wie niedrig die wechselseitige Toleranzschwelle tatsächlich war, zeigte sich am Eröffnungsabend, als alle an den Gesprächen Beteiligten - Opposition, Regierung und die UNO - in einem Saal versammelt waren.

Auf Bilder musste man zunächst mehr als eine Stunde lang warten, weil die oppositionelle HNC-Delegation (Riad-Gruppe) sich zunächst geweigert hatte, zu erscheinen. Grund war, dass De Mistura außer dem HNC noch zwei weitere Oppositionsgruppen gleichberechtigt zur Teilnahme eingeladen hatte. Dabei handelte es sich um die Moskau-Plattform und die Kairo-Plattform.

Deren Unabhängigkeit war mittels zweier einzelnstehender Tischen dokumentiert, die neben dem Tisch des HNC aufgestellt waren. Für den HNC war das unakzeptabel. Alle Oppositionsgruppen müssten sich "im Interesse des syrischen Volkes und der nationalen Interessen" der HNC-Delegation unterordnen, hieß es.

Nur dank intensiver diplomatischer Bemühungen ließ sich die Gruppe schließlich doch noch dazu bewegen, die Bühne zu betreten. Im Vorfeld sollen auch Vertreter jener Staaten großen Druck ausgeübt haben, die die Opposition unterstützen, hieß es in den Agenturmeldungen. Demnach hätten Briten, Deutsche, Franzosen, Emirate, Dänen, Schweden und Türken auf den HNC eingewirkt, seine Verweigerungshaltung aufzugeben und an der Zeremonie teilzunehmen.


Die internationale Diplomatie in Genf war abseits des Instruierens der jeweils eigenen Schützlinge aber auch Lager-übergreifend sehr aktiv. Eine Fülle von Treffen mit Vertretern beider Seiten absolvierte allen voran der stellvertretende russische Außenminister Gennadi Gatilow. Der Iran machte seinerseits seinen Einfluss auf die Regierungsdelegation und auf die unabhängigen Oppositionsdelegationen der Kairo- und Moskau-Gruppe geltend.

Patriotische Opposition hält Schicksal Assads nicht für entscheidend
Die Staaten aus der Gruppe der so genannten Freunde Syriens - die USA, die EU und die Golfstaaten - wirkten ihrerseits wiederholt auf die Riad-Gruppe ein und belebten damit den Gesprächsprozess. Dieses Mal profitierten die Treffen in Genf davon, dass sich offenbar alle regionalen und internationalen Akteure darin einig waren, den Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen.

In Genf liegt der Fokus dabei auf dem politischen Weg, wie er in der UN-Resolution 2254 festgelegt ist. Der Verhandlungsprozess in Astana soll sich hingegen weiterhin auf den Erhalt des Waffenstillstandes konzentrieren und andere militärische Fragen behandeln.

Für die syrische Regierungsseite ist weiterhin der gemeinsame Kampf gegen den Terror in Syrien die Voraussetzung für politische Lösungen. Die HNC-Delegation aus Riad vertritt hingegen die Ansicht, dass die syrische Seite, die sie als "Regime" bezeichnet, mit dieser Forderung nur Zeit gewinnen wolle.

Damaskus hatte wiederholt deutlich gemacht, mit der von De Mistura vorgeschlagenen Tagesordnung für die Gespräche einverstanden zu sein. Die Realität im Land erfordert allerdings erfordere eine deutliche Positionierung gegen den Terror in Syrien. Die schweren Anschläge vor wenigen Tagen in Homs unterstreichen dies noch einmal im Besonderen, erklärte der syrische UN-Botschafter Bashar al-Jaafari vor Journalisten.

De Mistura erinnerte noch einmal an die UN-Sicherheitsratsresolution 2254 als Grundlage der Genfer Gespräche. Schwerpunkt sollen demnach die Ausarbeitung einer Verfassung, die Vorbereitung von Neuwahlen und die Bildung einer neuen Regierung sein.

Mitte Januar: Der Wiederaufbau beginnt im Osten von Aleppo, Al Naziriya. 11. Januar 2017.

Obwohl die Resolution so etwas mit keinem Wort erwähnt, bedeutet das für die oppositionelle HNC-Delegation den Rücktritt des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad. Die anderen in Genf erstmals offiziell einbezogenen Oppositionellen der Kairo-Plattform und der Moskau-Gruppe haben diesbezüglich eine andere Meinung.

Jihad Makdissi, der Leiter der so genannten Kairo-Plattform, machte gegenüber Journalisten in Genf klar, dass die Diskussion der Verfassung Sache der Syrer sei und in Syrien vollzogen werden müsse. Ein Rücktritt des syrischen Präsidenten sei nicht ihr Anliegen, das sei ebenfalls Sache der Syrer, die darüber bei Wahlen entscheiden müssten. Die Kairo-Gruppe hatte bereits zu einem früheren Zeitpunkt Vorschläge für die Verfassungsdiskussion und den Ablauf der weiteren Gespräche in Genf vorgelegt.

Moskau-Gruppe will gemeinsame Delegation
Für die Moskau-Gruppe erklärte deren Leiter Hamza Monzer nach einem Gespräch mit De Mistura, man habe nicht nur über Formalitäten, sondern erstmals auch über inhaltliche Fragen diskutiert. Nach intensiven Gesprächen mit Russland und Iran werde man an der Bildung einer gemeinsamen Oppositionsdelegation arbeiten, die auf der Basis des Konsensprinzips verfahren solle. Keine Gruppe dürfe mehr Bedeutung haben als eine andere, so Monzer.

Angesichts der enormen Auffassungsunterschiede hatte sich der stellvertretende Außenminister der Russischen Föderation, Gennadi Gatilow, zuvor skeptisch über das Zustandekommen einer solchen Delegation geäußert.

Neben Fragen der Verfassung, Neuwahlen und einer Übergangsregierung sei für die Moskau-Plattform die Frage des Terrorismus in Syrien sehr wichtig, fügte Hamza Monzer hinzu. Man habe "kein Problem" damit, wenn dieses Thema gleichberechtigt mit den anderen Themen in den Gesprächen behandelt werden sollte.

Alle diese Themen – in Genf spricht man von "Körben" - sollten zudem parallel diskutiert werden, nicht nacheinander, führte Monzer weiter aus. Es dürfe keine Hierarchie der Themen geben.

Russlands Außenminister Sergei Lawrow hatte zuvor bereits mehrmals gefordert, die syrischen Kurden an den Friedenskonferenz für Syrien in Genf zu beteiligen.

Lediglich auf einem Punkt beharre die Moskau-Plattform: Erst müsse eine Analyse erfolgen, dann könne man über die Umsetzung reden.

Kurden und Frauengruppen immer noch außen vor
Das erhebliche Konkurrenzverhalten der HNC-Delegation, also der Riad-Gruppe, gegenüber den anderen oppositionellen Plattformen ließe sich auf diesem Wege überwinden. Dies wiederum würde den Gesprächen zwischen syrischer Regierung und der weit gefächerten syrischen Opposition auf diese Weise mehr Substanz und Glaubwürdigkeit verleihen.

Tatsächlich wäre allerdings die Einbeziehung weiterer Oppositionsgruppen aus Syrien selbst erforderlich, um substanzielle Fortschritte hinsichtlich des wichtigen politischen Dialoges zu erreichen. Vor allem das Beratungsgremium der syrischen Frauen sowie die politische und militärische Vertretung der syrischen Kurden dürfte man nicht länger außen vor lassen.

Nur wenn alle Segmente der syrischen Gesellschaft gleichberechtigt einbezogen werden, sinkt der regionale und internationale Einfluss in Syrien, der den Krieg seit Jahren befeuert hat, und der eigentliche innersyrische politische Reformprozess hätte Platz, um sich zu entfalten.

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