Auf der falschen Spur: Islammütze und Bart wurden für den ersten „Verdächtigen“ zum Verhängnis

Auf der falschen Spur: Islammütze und Bart wurden für den ersten „Verdächtigen“ zum Verhängnis
Das Bild von einer Überwachungskamera in Sankt Petersburger Metro.
Am Tag des Attentats in Sankt-Petersburg veröffentlichten zahlreiche Medien mehrere Videos einer Überwachungskamera. Sie zeigten einen Mann in muslimischer Kleidung. Schnell war der erste Verdächtiger ausgemacht. 
 
Wenige Stunden nach dem Terroranschlag von St. Petersburg am Montag veröffentlichten mehrere russische Medien Bilder des „vermeintlichen Selbstmordattentäters“. Schwarzer Vollbart, eine islamische Gebetsmütze, ein traditionelles schwarzes Gewand. Dazu zeigte ihn eines der Fotos auf dem Weg von einer Moschee.


Zunächst war es der Sender RenTV, danach der Petersburger Portal fontanka.ru und das Boulevard-Onlineportal life.ru, die vermeintlich „vielsagende“ Bilder zeigten. Im Internet diskutierte man, ob dies nicht etwa seltsam wäre, so auffällig konservativ islamisch bekleidet, zu einem geplanten Attentat zu gehen.

Schnell war der wahre Selbstmordattentäter gefunden. Er sah wesentlich unscheinbarer aus: Blaue Mütze, eine Brille, dicke Winterjacke mit Kapuze und Rucksack. Die Medien vergaßen den „Mann mit der Mütze“. Als er seine Bilder im Internet sah, stellte er sich der Polizei.

Laut russischen Medien stammt er aus der Teilrepublik Baschkirien und hieß bei der Geburt noch Andrej. Er studierte in einer Militärhochschule in Rjasan, wurde Fallschirmjäger und diente für die russische Armee in Tschetschenien. Danach quittierte er seinen Dienst, konvertierte zum Islam und nannte sich Iljas. Zuletzt arbeitete er als Lkw-Fahrer in der sibirischen Stadt Nischnewartowsk.

Nach dem Gespräch mit Ermittlern lobte Nikitin gegenüber Medien ausdrücklich die „gute Arbeit der Geheimdienste und der Polizei“. Er ahnte nicht, was auf ihn zukommt. Sein Flug von St. Petersburg nach Moskau verlief noch problemlos. Doch als er am Dienstag von Moskau aus weiter in seine Heimat Baschkirien fliegen wollte, gerieten andere Passagiere in Panik und forderten, dass er die Maschine verlässt. Nicht einmal Sicherheitsmitarbeiter des Flughafens Wnukowo schafften es, sie zu beruhigen.

Dinara Aliewa kam nach Sankt Petersburg, um Psychologie zu studieren. Die 21-Jährige aus Baku kam bei dem Anschlag am 3. April in der Petersburger Metro um.

Am gleichen Tag schaffte er doch mit dem Mitfahrdienst BlaBlaCar in seine Heimat zu fahren. Kurz zuvor gab er das Interview der Online-Seite islamnews.ru.
Ich, meine Verwandten und Freunde werden von Reportern verfolgt, die mich Terrorist genannt haben. Ich kann nicht einmal wieder versuchen, den Flug aus Moskau zu nehmen. Bitte lasst mich und mein Leben weiter in Ruhe leben.“ flehte er Journalisten an.
Doch, Dementi halfen nicht mehr. Heute, am Mittwoch erfuhr er, dass sein Arbeitgeber in Nishnewartowsk ihm seinen Job gekündigt hat. Angeblich hätte das regionale Ermittlungskomitee ihn darum gebeten.

Die Russen gelten als ausgesprochen affin zu sozialen Media. Alle gesellschaftlichen und politischen Diskussionen finden in drei großen Netzwerken – Vkontakte, Odnoklassniki und Facebook statt.
Tausende User unterstützten Nikitin und forderten von den Medien sich bei ihm und seinen Verwandten zu entschuldigen.

Dabei waren es nicht nur Leser der islamischen Seiten, sondern auch viele russisch-orthodoxe. Einige empfahlen Iljas Nikitin die Medien zu verklagen und eine hohe Entschädigung zu verlangen.

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