Nach Terrorattacke in Manchester: Die Heuchelei westlicher Politik

Nach Terrorattacke in Manchester: Die Heuchelei westlicher Politik
"Wir stehen zusammen" - Botschaften wie diese säumen das Areal der Manchester Arena, die am späten Montagabend Schauplatz eines Terroranschlags wurde.
Nahezu einhellig verurteilen westliche Politiker die Terrorattacke in Manchester als Angriff auf „unsere Art zu leben“. In der arabischen Welt unterstützt der Westen hingegen genau die Kräfte, die dieser Lebensweise ein Ende bereiten wollen. Libyen und Syrien legen davon Zeugnis ab.
 
„Unsere Art zu leben wird sich immer durchsetzen“, erklärte die britische Premierministerin Theresa May nach dem Terroranschlag in Manchester. Ihr Amtsvorgänger äußerte sich ähnlich: „Einer der besten Wege, den Terrorismus zu besiegen, ist unser normales Leben fortzusetzen“, meinte David Cameron.

Ob Zeitungskommentator, Oppositionsführer oder Polizeikommissar, sie alle führen die Rede vom „way of life“, den es zu verteidigen gelte. Eine Auffassung, die über die britischen Grenzen hinaus in der westlichen Welt nahezu einhellig geteilt wird. „Unsere freien und offenen Gesellschaften sind stärker als jeder Terrorismus“, schrieb Bundeskanzlerin Angela Merkel am Mittwoch in das Kondolenzbuch der britischen Botschaft.

Ein junges Mädchen nach dem Anschlag von Manchester mit einem T-Shirt der Sängerin Ariana Grande. Ein Angriff auf die westliche Kultur? Manchester, 23. May  2017.

Die schreckliche Terrorattacke in Manchester als Angriff auf die westliche Lebensart und die Errungenschaften einer „offenen Gesellschaft“ zu bewerten, mag eine zutreffende Interpretation sein. Doch steht es westlichen Regierungsvertretern zu, sich zu den edlen Verteidigern einer freiheitlichen Lebensart aufzuschwingen, wenn sie selbst eine solche Lebensweise an anderen Orten der Welt bekämpfen – und zwar Hand in Hand mit eben jenen Kräften, deren Geistesbrüder in Europa Anschläge auf Konzertsäle begehen?

Auch Großbritannien beteiligte sich am Sturz Muammar al-Gaddafis in Libyen, in dessen Folge das säkular ausgerichtete Land in die Hände von Islamisten fiel. Absehbar hat sich beispielsweise die Lage der Frauen seitdem dramatisch verschlechtert. So wurden neue Gesetze zu Eheschließung, Scheidung und Erbschaftsrecht erlassen, die laut Amnesty International:
„Frauen und Mädchen benachteiligen und der Verheiratung minderjähriger Mädchen Vorschub leisten“.

Frauen, die sich heute ohne männliche Begleitung in die Öffentlichkeit begeben, leben gefährlich und werden „von Milizen schikaniert“, so Amnesty. Grundlage für die Abschaffung des Rechts auf Freizügigkeit für Frauen war „eine von Libyens Großmufti erlassene Fatwa aus dem Jahr 2012“.

Syrien droht ein ähnliches Schicksal, sollte der auch von der britischen Politik forcierte Versuch letztlich von Erfolg gekrönt sein, die Regierung von Baschar al-Assad zu stürzen. Der Alltag in den von der syrischen Regierung kontrollierten Gebiete unterscheidet sich von dem, wo die sogenannten Rebellen das Sagen haben, wie Tag und Nacht.

Wer sich etwa Bilder aus dem Nachtleben in Damaskus anschaut, wird kaum einen Unterschied zu den Partygewohnheiten der Jugend in London, Paris oder Berlin ausmachen können. Wo hingegen die vom Westen unterstützten Rebellen herrschen, kann von einer vielbeschworenen „offenen Gesellschaft“ keine Rede sein. Dort gibt es Scharia statt Popmusik, Kopftuchzwang statt Cocktails.

Ob nach Terroranschlägen in Paris, Berlin oder nun Manchester: Jedes Mal ermahnen westliche Politiker die Bevölkerung, „wir“ dürften „unsere Art zu leben“ nicht aufgrund des Terrors ändern. In der arabischen Welt unterstützen dieselben Herrschaften jedoch genau die Kräfte, die diese Art zu leben mit brutaler Gewalt bekämpfen.

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