Reaktionen auf Saudi-Ultimatum an Katar und Al-Jazeera: "Klarer PR-Fehler des Saudi-Blocks"

Reaktionen auf Saudi-Ultimatum an Katar und Al-Jazeera: "Klarer PR-Fehler des Saudi-Blocks"
Eine zentrale Bedingung für die Beilegung der Katar-Krise ist laut einem Forderungskatalog der Saudi-Koalition die Schließung des populären TV-Senders Al Jazeera. Journalisten des katarischen Nachrichten-Netzwerks äußerten im Gespräch mit RT Deutsch die Befürchtung, dass die Saudis „Presse- und Redefreiheit im Nahen Osten zum Schweigen bringen wollen“. 
von Ali Özkök

Am Donnerstagabend wurde ein an Katar adressierter Katalog publik, den Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Ägypten verfassten. Dieser beinhaltet eine lange Liste von Forderungen, die zur Entspannung der Blockade gegen Katar von Doha erfüllt werden müssen.

Zu den 13 Forderungen gehören unter anderem die Schließung des populären Fernsehsenders Al Jazeera, aber auch eine Einschränkung der Beziehungen zu Iran, die Auflösung der türkischen Militärbasis in Katar und die Auslieferung aller angeblichen Terroristen, erklärte ein Vertreter einer der vier Staaten der Nachrichtenagentur Reuters am Freitag. Der Katalog schließt mit einem Ultimatum: Katar solle den Forderungen innerhalb von zehn Tagen zustimmen.

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Der Al Jazeera-Journalist Jamal Elshayyal, der mit RT Deutsch sprach, sieht hinter dem Forderungskatalog gegen Katar einen Versuch, die Meinungs- und Pressefreiheit zu unterdrücken. Er sagte:

Aus Saudi-Arabien ausgewiesene katarische Kamele sammeln sich an der Grenze. Weil Katar zuwenig Fläche hat, durften die Tierbesitzer ihre Kamele bisher in Saudi-Arabien weiden lassen, Katar 20. Juni 2017.
Es ist äußerst unglücklich, dass es heutzutage noch Regierungen gibt, die Ressourcen ausgeben, um die freie Rede und Presse zum Schweigen zu bringen. Wir werden unsere Arbeit als Journalisten weiterhin tun und die Wahrheit aussprechen.“
Mit Blick auf die Forderungen Riads, Abu Dhabis und Kairos forderte Elshayyal, der Al Jazeera als erstes arabisches Nachrichtenportal mit Gewicht bezeichnete:
Regierungen können handeln, wie sie wollen. Aber es ist die Pflicht der internationalen Gemeinschaft, sich gegen diese unterdrückerischen Regierungen zu stellen, die die Redefreiheit vernichten wollen.“
Saad Abedine, der für Al Jazeera über politische Entwicklungen im Irak berichtet, merkte auf Anfrage von RT Deutsch kritisch an:
Die Liste ist ganz klar ein PR-Fehler des Saudi-Blocks. Die Absurdität von einigen Forderungen wird auf Saudi-Arabien und Alliierte zurückfallen.“
„Ehrlich gesagt, ist für uns nicht einmal wirklich klar, was die eigentlich wollen“, äußerte Abedine. „Es sah eigentlich so aus, als wenn sie uns nur auf die Probe stellen wollen, bis wir es bestätigt bekamen. Der emiratische Außenminister sagte, die Katarer leakten das Dokument.“ Die Auswirkung der Forderungen bewertet der Al Jazeera-Journalist wie folgt:
Sie sagen uns: 'Lenkt ein oder haltet den Mund. Schickt jede politische Opposition zurück, macht alle Medien zu.' Ich sagte aber einer Freundin im Scherz: 'Es fühlt sich gut an, Teil eines rebellischen Nachrichten-Netzwerks zu sein.'“
Israels Fluggesellschaft El Al könnte schon bald saudischen Luftraum nutzen. Daneben weisen noch weitere Indizien auf eine mögliche Allianz Israels mit der absoluten Monarchie in Riad hin.

Der Militärwissenschaftler Tallha Abdulrazaq von der Universität Exeter, der für RT Deutsch Kolumnen über den Irak verfasst, gewann im Jahr 2015 den Jugendforschungspreis von Al Jazeera. Abdulrazaq sagte, dass Al Jazeera zu den wenigen Medien in Nahost gehört, die Experten eine echte Chance geben im Gegenzug zu Propaganda-Medien wie das saudische Nachrichtenportal Al Arabiya.

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„In Europa brauchen junge Akademiker, die nicht zum Establishment gehören, Beziehungen, die bei Al Jazeera tendenziell willkommen sind. Natürlich wird Al Jazeera am Ende des Tages auch von Katar finanziert, aber das sehen wir auch beim britischen BBC“, fügte Tallha Abdulrazaq hinzu.

Auch die Türkei gerät ins Visier des Saudi-geführten Golfstaaten-Blocks. Doha gehört zu den engsten Alliierten der Türkei. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan beschloss zuletzt den Ausbau einer Militärbasis im kleinen Scheichtum. Künftig könnten bis zu 5.000 türkische Soldaten auf die Halbinsel entsandt werden.

Yusuf Yerkel, Berater des türkischen Premierministers Binali Yildirim, verteidigte im Gespräch mit RT Deutsch die resiliente Haltung von Al Jazeera. Seiner Meinung nach birgt die Katar-Krise keine sicherheitspolitischen Probleme für Saudi-Arabien. Stattdessen wollen Riad und Alliierte mit den USA im Rücken die „Nacheffekte des Arabischen Frühlings zurückrollen“. Der türkische Regierungsberater äußerte:


Katar und Al Jazeera unterstützen den Wandel von innen im Nahen Osten. Das wissen die Saudi-angeführten Golfstaaten. Diejenigen, die in ihren Ländern unterdrückt wurden, kamen bei Al Jazeera zu Wort.“
Staaten wie Saudi-Arabien, Bahrain oder die Vereinigten Arabischen Emirate wollen ihr Land vom enormen Einfluss Al Jazeeras abschirmen. Deswegen schließen sie die Büros, um ihre innenpolitischen Angelegenheiten frei von medial begleiteten Demokratieforderungen durchzusetzen, führte Yerkel weiter aus.

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„Als erstes war es der ehemalige ägyptische Präsident Muhammed Mursi, der den Preis mit lebenslanger Haft zahlen musste, während Husni Mubarak freigelassen wurde. Heute ist Katar dran“, erläuterte der türkische Regierungsberater. Kritisch merkte er an:
Man sollte nicht vergessen, dass, als Mursi gestürzt wurde durch eine Militärjunta, dass der Westen keine Kritik laut werden ließ. Gleiches sahen wir beim Militärputsch in der Türkei am 15. Juli 2016.“

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