Kritik aus Russland und Israel: Staatsduma will europäische Antwort auf das "Abriss-Gesetz" in Polen

Kritik aus Russland und Israel: Staatsduma will europäische Antwort auf das "Abriss-Gesetz" in Polen
Die Abstimmung in der russischen Staatsduma
Die Parlamente Russlands und Israels verurteilten gestern Bestrebungen, die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg zu entstellen. Die Staatsduma will Polens drohenden Abriss sowjetischer Denkmäler auf die internationale Agenda setzen - und notfalls Sanktionen.
 
Der geplante Abriss von Denkmälern zu Ehren der sowjetischen Soldaten, die in den Jahren 1944 und 1945 geholfen hatten, Polen von der Besatzung durch Hitlerdeutschland zu befreien, hat die gesamte politische Landschaft in der Russischen Föderation gegen die Führung in Warschau aufgebracht. Auch in Israel hat die Entwicklung für heftige Reaktionen gesorgt.

Gestern verabschiedete die Staatsduma eine Resolution, die alle europäischen Parlamente dazu aufruft, Fälle der "Schändung und Vernichtung von Denkmälern" für die Befreiungsarmeen der Anti-Hitlerkoalition zu verurteilen.

Insbesondere ging es den Abgeordneten dabei um Bestrebungen, im Zusammenhang mit der jüngsten Gesetzesinitiative in Polen die Resultate des Zweiten Weltkrieges umzudefinieren. Der polnische Präsident Andrzej Duda unterschrieb am Montag eine Anordnung, die Änderungen im so genannten Entkommunisierungsgesetz bestätigt. Dieses Gesetz verfolgt zuvorderst den Zweck, Symbole totalitärer Ideologien wie des Nationalsozialismus oder des Kommunismus aus der Öffentlichkeit zu verbannen.

Es ermöglicht Experten zufolge aber auch den Abriss und die Demontage von fast 500 Denkmälern und Gedenkstätten, die zu Ehren der sowjetischen Soldaten in Polen errichtet worden sind.
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In Polen starben sechs Mal mehr Rotarmisten als in Deutschland

Jenseits der damaligen sowjetischen Grenze tobten in Polen die erbittertsten Kämpfe zwischen den deutschen Truppen und der Roten Armee, das ganze Land verwandelte sich in ein Kampfgebiet. Insgesamt geht man von 600.000 sowjetischen Militärangehörigen aus, die in Polen ihr Leben verloren haben. Bei den Kämpfen in Deutschland sind es im Vergleich dazu 100.000 gewesen, in der Tschechoslowakei und in Ungarn jeweils 140.000.

Im Krieg ereilte Rotarmisten und Polen oft das gleiche Schicksal: Exhumierung von den Hitler-Truppen erschossener sowjetischer Kriegsgefangener und polnischer Zivilisten in Budowitza am 1. Juni 1945. 
 
Deshalb werten viele Menschen in Russland das Gebaren der polnischen Regierung als Beleidigung und als antirussischen Affront. Es gibt in der Russischen Föderation kaum ein Gremium, das sich zum geplanten Abriss nicht geäußert hat. So befürwortete Walentina Matwijenko, die Vorsitzende des Russischen Föderationsrates, das Einschreiten des russischen Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten und sprach sich für mögliche Sanktionsmaßnahmen aus. Der Senator Anton Beljakow schlug vor, Einreiseverbote für polnische Parlamentarier auszusprechen.

Der Vorsitzende des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten, Leonid Sluzki, wiederum plädiert dafür, die Europäische Union als Mediator einzuschalten. Auch die Vereinten Nationen hat man in Moskau darum gebeten, eine offizielle Beurteilung zu dem Sachverhalt abzugeben.


Alexander Lukaschewitsch, der russische Botschafter bei der OSZE, äußert seine Bedenken wie folgt:
EU und OSZE haben sich bisher nicht eindeutig positioniert. Für sie ist das eine bilaterale Angelegenheit zwischen Russland und Polen. Wir werden jedoch weiterhin darauf drängen, dass sich die Europäische Union der Sache annimmt.
Derweil betont das Ministerium für auswärtige Angelegenheiten, dass es sich bei dem Gebaren der polnischen Regierung um einen klaren Bruch der Verträge über die letzten Ruhestätten und Erinnerungsorte an die Opfer des Krieges und der Repressionen vom 22. Februar 1992 und über die freundschaftliche und gutnachbarschaftliche Kooperation vom 22. Mai 1994 handelt. Danach ist Polen dazu verpflichtet, die sowjetischen Denkmäler zu erhalten.

Die polnische Zivilbevölkerung begrüßte die Befreiungsarmeen. Auf dem Bild: Sowjetische und polnische Militärangehörige in Warschau am 1. März 1945. 
 
Der Vorsitzende des Außenwertigen Ausschusses des Föderationsrates, Konstantin Kossatchow, sagt, dass es zwei Interpretationen dieser Abkommen gebe:
Vom polnischen Standpunkt aus gelten die Verträge ausschließlich für Friedhöfe, die russische Seite meint, dass sowohl Friedhöfe als auch Gedenkstätten davon betroffen sind.

Auch Knesset verurteilt den Abriss

Soldaten der Roten Armee, deren Nachkommen zurzeit in allen Ländern der ehemaligen Sowjetunion und in Israel leben, haben auch auf polnischem Territorium liegende Orte der massenhaften Vernichtung der europäischen Juden wie die Todeslager Maidanek, Sobibor und Auschwitz befreit. Auch das israelische Parlament schaut deshalb auf die Entwicklung in Polen mit zunehmender Sorge.

Die gestrige Sitzung in der russischen Staatsduma war mit der simultanen Sitzung der israelischen Knesset abgestimmt, berichtete die Zeitung Kommersant. Sogar der Text der geplanten Knesset-Resolution lag den Duma-Abgeordneten in russischer Sprache vor. Während die russische Resolution an die Parlamente der europäischen Staaten und internationale Organisationen wie die Parlamentarischen Versammluneng der OSZE, des Europarates sowie des Europaparlaments appellierte, hatte die israelische Resolution keinen Adressaten.

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Die Knesset nahm auf die Abrisspläne der polnischen Regierung direkten Bezug. Man sei über die Fälle "der Holocaust-Leugnung, der Schändung der Gedenkstätten und der Grabstätten der Holocaustopfer und der Soldaten der Roten Armee" besorgt. Solche Vorfälle sollten "von jedem Land der Welt verurteilt" werden.

Das Staatsduma wurde hinsichtlich der geforderten Konsequenzen noch konkreter. Man erwarte eine "entschiedene Verurteilung" und "gesetzgeberische Maßnahmen" vonseiten der europäischen Volksvertretungen aller Ebenen im Hinblick auf das polnischen Vorhaben. Diese sollen dafür sorgen, dass
ein gegenseitiges respektvolles Verhältnis zur geschichtlichen Erinnerung zur festen Basis der wahren gutnachbarschaftlichen und zivilisierten Beziehungen im gemeinsamen europäischen Haus wird.  
Der Vorsitzende des Duma-Ausschusses für internationale Angelegenheiten Leonid Slutzki, sagte, dass eine gegenseitige Abstimmung und synchrone Beschlüsse mit Parlamentariern anderer Länder in der Duma künftig zur gängigen Praxis werden.

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