Quelle: Reuters
© Ralph Orlowski
Das HK417-Sturmgewehr von Heckler & Koch. Der Waffenhersteller überdenkt seine Geschäftspolitik.
Die Waffen von Heckler & Koch gehören zu den
legendärsten der Welt. Zugleich genießt das Unternehmen den
zweifelhaften Ruf als Deutschlands tödlichster Waffenhersteller. Nun
will es keine Waffen mehr in Kriegsgebiete oder korrupte Länder liefern –
darunter auch Israel.
"Ich dachte, wir würden dort gelyncht werden", sagte Jürgen Grässlin, Friedensaktivist und langjähriger Gegner der Waffenschmiede, gegenüber der britischen Zeitung „The Guardian“ kürzlich.
Wir kämpfen seit 30 Jahren hart gegen diese Firma. Wir haben die Anlage mehrmals blockiert, wir hatten schwere juristische Auseinandersetzungen.Doch es kam alles ganz anders. Statt der befürchteten Konfrontation gab es zur Überraschung von Grässlin "einen freundlichen Gruß und nicht die Arroganz, die man sonst antrifft." Doch damit nicht genug – am 15. August erklärte der Waffenriese eine neue Unternehmenspolitik, welche die Marke „ethisch neu ausrichten soll.“ Eine überraschende Kehrtwende für ein Unternehmen, dem Kritiker vorwerfen, dass alle 13 Minuten irgendwo auf dieser Welt jemand mit einer ihrer Waffen niedergeschossen wird.
Der neue Plan tauchte zuerst im jährlichen Finanzbericht des Unternehmens im März letzten Jahres auf. Man plane, keine Waffen mehr an korrupte und kriegerische Regierungen zu verkaufen. Laut der Deutschen Welle wird in dem Bericht erklärt, dass nach den neuen Kriterien Heckler & Koch verspricht,
sich nur mit NATO-Ländern, NATO-äquivalenten Nationen - Australien, Neuseeland, Japan, Schweiz und Neuseeland - sowie mit Ländern zu befassen, die den Korruptionsindex von Transparency International und den Demokratietest der Economist Intelligence Unit bestanden haben.Ein Unternehmenssprecher von Heckler & Koch bestätigte gegenüber der Deutschen Welle, dass das Unternehmen sich schon im Frühjahr 2016 für eine neue Strategie entschieden habe. "Als Konsequenz daraus haben wir uns aus den Krisenregionen der Welt zurückgezogen", so der Sprecher.
Das Unternehmen will auf das Geschäft in wichtigen und aufstrebenden Märkten wie Israel, Mexiko, Brasilien, Brasilien, Indien, Saudi-Arabien, Ägypten, der Türkei, den Vereinigten Arabischen Emiraten und allen Ländern des afrikanischen Kontinents verzichten. Diese Strategieänderung ist eine Premiere für einen großen Waffenhersteller. Vor allem aber für Heckler & Koch, die noch in jüngster Zeit mit umstrittenen Geschäften für Kritik gesorgt hatten.
„Das ist eine Firma, die einen schrecklichen Ruf hatte", sagte der Kritiker Grässlin gegenüber dem „Guardian“.
Bei all den Podiumsdiskussionen, die ich in den letzten Jahren geführt habe, pflegten die anderen Rüstungsunternehmen zu sagen: 'Wir sind nicht wie Heckler & Koch, wir sind moralisch besser.'Ab dem Jahr 2014 lag laut dem „Guardian“ der Marktanteil der Firma bei 11 Prozent des globalen Gewehrgeschäfts.
Wenn man eine Karte von den Orten machte, wo es keine Heckler & Koch-Waffen gibt, hätte man zwei weiße Flecken [...] Erstens: die Länder des ehemaligen Warschauer Paktes - sie sind alle mit Kalaschnikows überschwemmt. Und zweitens die Antarktis, so Grässlin.Begründet wird der Strategiewechsel damit, dass Exportgenehmigungen in bestimmte Staaten nur schwierig oder gar nicht mehr zu bekommen seien. Zudem wolle man raus aus den negativen Schlagzeilen. „Auch moralische Kritik an solchen Exporten können wir durchaus nachvollziehen“, erklärte ein ungenannter Manager gegenüber der „Welt“. Der Kurswechsel sei intern hitzig debattiert worden, denn das Exportpotenzial werde eingeschränkt.
Doch auch ohne den Strategiewechsel wäre es für das Unternehmen schwieriger geworden. Der Umsatz wurde durch die jüngsten deutschen Regelungen zu Waffengeschäften in den Ländern des Nahen Ostens deutlich beeinträchtigt. Im Jahr 2016 meldete Fortune, dass der Jahresüberschuss des Unternehmens von 60 Millionen Euro im Jahr 2014 auf 25 Millionen Euro im Folgejahr nach Einführung der Sanktionen zurückging. Für schlechte Stimmung sorgte auch die Anklage gegen Heckler & Koch wegen illegalen Verkaufs von Sturmgewehren an Mexiko unter Verstoß gegen ein Exportverbot.
Zudem stand das Unternehmen zwischen 2015 und 2016 kurz vor der Pleite. Die Waffenschmiede schleppte Schulden in Höhe von über 295 Millionen Euro mit sich herum und konnte unter anderem durch einen geheimen Geldgeber gerettet werden. Wie ein Firmensprecher auf Anfrage der „Welt“ im Jahr 2015 erklärte, stand plötzlich seit dem 13. November eine „besicherte Betriebsmittellinie in Höhe von 30 Millionen Euro zur Verfügung“.
Dieser Kredit, der unmittelbar vor der letzten Zinszahlung am 15. November eingeräumt wurde, werde gegenwärtig nicht in Anspruch genommen. „Die nächsten Zinszahlungen sind sicher“, sagte der Sprecher damals. Wer die Kreditlinie gewährte, wollte Heckler & Koch nicht preisgeben. Ob es sich bei dem folgenden Strategiewechsel tatsächlich um einen ethisch begründeten Sinneswandel handelt, oder ob das Unternehmen sich nur medienwirksam an die de facto veränderten Rahmenbedingungen bei Rüstungsexporten anpasst, bleibt offen.
Zudem soll die Geschäftsleitung neben dem Strategiewechsel auch versprochen haben, einen Entschädigungsfonds für die Opfer ihrer Gewehre in Erwägung zu ziehen. Die von Heckler & Koch produzierten Waffen haben seit 1949 schätzungsweise mehr als zwei Millionen Menschen getötet, darunter Osama Bin Laden, der von der US-Armee 2011 von Spezialeinheiten-Soldaten mit einer Version des HK416 getötet wurde.
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