Mit Staatsgewalt gegen die Unabhängigkeit - Spanien ordnet Polizisten für Einsatz an Wahlkabinen ab

Mit Staatsgewalt gegen die Unabhängigkeit - Spanien ordnet Polizisten für Einsatz an Wahlkabinen ab
Katalanische Polizisten während Demonstration für das Referendum in Katalonien, das am 1. Oktober stattfinden soll - von der Regionalpolizei hängt am kommenden Sonntag viel ab.
Am 1. Oktober wollen die Katalanen per Referendum über ihre Unabhängigkeit abstimmen. Spaniens Zentralregierung setzt derweil alles daran, dies zu verhindern. Zuletzt ordnete sie die Besetzung der Wahllokale an und übte Druck auf die Referendumshelfer aus. 
 
Die katalanische Landesregierung besteht darauf, die für den 1. Oktober geplante Abstimmung durchzuführen, während die Regierung in Madrid gelobt, die Abstimmung mit allen Mitteln zu stoppen. Sie beruft sich darauf, die Verfassung zu schützen, welche durch ein Referendum verletzt würde.

Die katalanischen Befürworter der Abspaltung hingegen beziehen sich auf Artikel 1 der Charta der Vereinten Nationen, in dem die „Selbstbestimmung der Völker“ festgeschrieben ist. Das spanische Verfassungsgericht hat die dem Referendum zugrunde liegende Gesetzgebung ausgesetzt, während es über ihre Rechtmäßigkeit entscheidet.

Wenige Tage vor dem geplanten Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien verschärft sich die Situation und die spanischen Behörden steigern ihre Maßnahmen gegen die Vorbereitungen für die Abstimmung.

Nach dem rigiden Durchgreifen der spanischen Zentralregierung kam es zu mehreren spontanen Demonstrationen. Bisher blieben Gewaltausbrüche vonseiten der Demonstranten jedoch weitgehend aus.

Wie die spanische Regierung nun bestätigte, sollen am Sonntag Polizisten die Menschen in den Wahllokalen daran hindern, am Referendum über die katalanische Unabhängigkeit teilzunehmen, auch zusätzliche Beamte aus Andalusien werden dafür eingezogen.

Ein Regierungssprecher bestätigte, dass die regionale Polizei angewiesen worden sei, ab Freitag die Kontrolle über alle Wahllokale zu übernehmen:
Wir können heute bestätigen, dass es kein erfolgreiches Referendum in Katalonien geben wird.“
Ein Sprecher der katalanischen Vertretung der spanischen Regierung sagte am Dienstag, der Staatsanwalt der Region habe die katalanische Polizei Mossos d' Esquadra beauftragt, die Wahlkabinen zu kontrollieren und die Verantwortlichen zu identifizieren.
Der Befehl wurde übermittelt und wird normal ausgeführt werden", sagte er.
Die spanische Regierung betonte, dass sie bereits Schritte unternommen habe, um das Referendum zu verhindern. So wurden in der vergangenen Woche Razzien in katalanischen Regierungsstellen durchgeführt, 14 Beamte verhaftet und von der staatliche Polizeieinheit Guardia Civil knapp zehn Millionen Wahlzettel beschlagnahmt.

Am Dienstag sagte der Vertreter der spanischen Regierung in Katalonien, Enric Millo zu Journalisten:
Heute können wir bestätigen, dass es in Katalonien kein effektives Referendum geben wird. Die gesamte Logistik des Referendums wurde abgebaut."
Verlauf des Referendums hängt von regionaler Polizei ab
Zudem wies der Generalstaatsanwalt die Regionalpolizei an, alle Namen der für die Wahllokale Verantwortlichen herauszugeben und relevante Dokumente zu konfiszieren. Auch diese Anweisungen würden umgesetzt, wie ein Sprecher der katalanischen Regionalpolizei bestätigte.

Der Verlauf der Abstimmung hängt zu einem großen Teil von der Regionalpolizei ab. Sie agiert zwar mit einem großzügigen Maß an Autonomie, unterliegt dabei aber der spanischen Gesetzgebung.
Bereits am vergangenen Wochenende wurden alle regionalen Polizeieinheiten der Befehlsgewalt des Innenministeriums in Madrid unterstellt. In einer Anweisung an die Polizei teilte die die Staatsanwaltschaft Anfang der Woche mit, sie werde die Namen aller an der Abstimmung Beteiligten aufnehmen und entsprechende Dokumente beschlagnahmen.

Laut der Anweisung können Personen, welche Zugang zu den Wahlkabinen geben, sei es durch Schlüssel oder Eingangscodes, als Mittäter im Delikt des Ungehorsams zählen oder sich wegen Missbrauchs des Amts und Veruntreuung öffentlicher Mittel strafbar machen.


Trotz all dem bleibt die Zentralregierung hartnäckig und besteht auf die Durchführung des Referendums. Der katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont warf dem spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy vor, in den Versuchen, die Abstimmung zu verhindern, undemokratisch zu handeln. Dabei ging er so weit, das Verhalten der spanischen Regierung mit der Repression der Franco-Ära zu vergleichen und betonte, dies würde nur noch mehr Katalanen dazu bringen, die Unabhängigkeit von Madrid zu suchen.

Auch in der Symbolik zeigten sich Unterschiede in den regionalen Vorlieben des Landes. Während einige Polizeibeamte in Andalusien, die für das Referendum nach Katalonien entsandt wurden, mit spanischen Fahnen geschmückt und von den Einheimischen bejubelt wurden, erhielten katalonische Polizisten von einigen Einwohnern rote Nelken, ähnlich wie es Einwohner Portugals zur Zeiten der portugiesischen Revolution von 1974 taten.

Vor wenigen Tagen hatten sich katholische Priester und Verbände in Katalonien mit den Separatisten solidarisch erklärt. Ähnlich wie viele Befürworter auch in anderen Regionen Spaniens kritisierten sie auch die "zunehmend repressiven Maßnahmen" der Zentralregierung von Mariano Rajoy.

Der spanische Premierminister hingegen betonte erneut bei einem Treffen in Washington mit US-Präsident Donald Trump, dass er eine einseitige Unabhängigkeitserklärung für "sehr falsch" hält und die Abstimmung am Sonntag auch rechtlich in Frage stellt.

Es gibt keinen Wahlausschuss, es gibt kein Team bei der katalanischen Regierung, das ein Referendum organisiert, es gibt keine Stimmzettel, es gibt keine Leute an den Wahllokalen", sagte er.
US-Präsident Donald Trump stellte sich auf die Seite von Rajoy und bezeichnete die Unabhängigkeitsbestrebungen der Katalanen als unklug:
Ich denke, dass Spanien ein großartiges Land ist und dass es geeint bleiben sollte ", so Trump
Das US-Außenministerium hatte kürzlich noch mitgeteilt, dass das Weiße Haus keine Position zum Referendum hat und mit jeder Regierung oder Einheit, welche aus der Abstimmung hervorgeht, zusammenarbeiten würde.

Umfragen zufolge sind über 70 Prozent der 7,5 Millionen Einwohner Kataloniens zwar für die Durchführung des Referendums, während sie hinsichtlich der Frage nach der Unabhängigkeit relativ uneinig sind.

Vor drei Jahren haben sich mehr als 80 Prozent in einer symbolischen Abstimmung für die Unabhängigkeit entschieden, jedoch hatten nur 2,3 Millionen von den 5,4 Millionen Wahlberechtigten daran teilgenommen.

Für eine Begründung der Unruhe im Land bedient sich die auflagenstarke spanische Zeitung El País einer angenehm vereinfachenden „Analyse“ der Alliance for Securing Democracy des transatlantischen German Marshall Fund und erklärt ganz einfach die Russen für verantwortlich.

Mehr lesen: Katalonien-Referendum: „Russische Beeinflussungsmaschine“ auf Hochtouren

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