Russlands UN-Gesandter im Exklusiv-Interview: Ukraine versucht Minsk-Abkommen zu verschleiern

Russlands UN-Gesandter im Exklusiv-Interview: Ukraine versucht Minsk-Abkommen zu verschleiern
Wassili Nebensja, der neue Botschafter der Russischen Föderation bei den Vereinten Nationen.
RT hat mit dem neuen Botschafter der Russischen Föderation bei den UN, Wassili Nebensja, ein Exklusiv-Interview geführt. Im Mittelpunkt des Gesprächs standen die aktuellen Krisen in Nordkorea, Syrien und die Frage eines UN-Blauhelmeinsatzes in der Ostukraine. 
 
Herr Nebensja, die russische Delegation bei den Vereinten Nationen beschäftigt sich im Moment mit mehreren dringenden Problemen. Eines davon ist die Krise um Nordkorea, einem Land, das nach eigenen Angaben Wasserstoffbombentests durchgeführt hat. Auf der letzten Sitzung des Sicherheitsrates sagten Sie, dass eine militärische Lösung für die Krise unmöglich ist. Aber glauben Sie wirklich, dass irgendwelche Forderungen nach einer militärischen Lösung über emotionale Ausrufe oder Populismus hinausgehen? Will jemand ernsthaft Krieg?
 
Ich hoffe, dass das nicht der Fall ist. In der Tat hatten wir gestern eine außerordentliche Sicherheitsratssitzung bezüglich der jüngsten Tests, und jeder verurteilte sie scharf. Das Vorgehen war in der Tat eine eklatante Verletzung aller früheren Resolutionen des Sicherheitsrates zu Nordkorea, einschließlich der neuesten Resolution Nummer 2371, die heute genau einen Monat alt geworden ist. Wissen Sie, ich glaube, dass niemand eine militärische Lösung will. Jeder will, dass die Krise friedlich gelöst wird. Aber das Problem ist, dass die Rezepte sich unterscheiden, die jeder anwenden will. Einige Länder, wie die Vereinigten Staaten, Frankreich, Japan, Großbritannien, Südkorea und andere sagen: 'Wir müssen neue Sanktionen gegen Nordkorea verhängen, um ihnen die Mittel zu entziehen, ihr Raketentestprogramm für ballistische Atomwaffen zu entwickeln, und um sie wieder an den Verhandlungstisch zu bringen.'

Aktion

Russland ist der Meinung, dass weitere Sanktionen gegen Pjöngjang nicht funktionieren werden. Ich erinnere mich, Wladimir Putin sagte, dass die Nordkoreaner lieber "Gras essen" würden, als ihr Atomprogramm aufzugeben, richtig? Wie kommen wir aber aus diesem Chaos heraus, wenn weder Aufrufe zur Zurückhaltung noch Sanktionen etwas ändern werden?

Ja, durchaus. Sanktionen funktionieren leider nicht. Erstens werden sie ignoriert, zweitens dauern sie schon lange an und drittens dürfte eine neue Sanktionsetappe keine Einladung an den Verhandlungstisch sein, sondern eher zu neuen und weiteren Tests. Wir betonen die Notwendigkeit einer politischen und diplomatischen Lösung. China und Russland haben bereits im Juli einen Aktionsplan vorgeschlagen, um die Krise mit einer Initiative zu einer beiderseitigen Aussetzung zu lösen, die von der US-Botschafterin bei den UN, Nikki Haley, gestern aber kritisiert wurde. Ich weiß nicht, was sie so beleidigend fand, wie sie es nannte. Wenn sie etwas Besseres hat als die neuen Sanktionen, dann sollten die Vereinigten Staaten mit der Sprache herausrücken. Wir würden es nur begrüßen. Wir würden alle Anstrengungen und Initiativen begrüßen, um einen echten Dialog zu beginnen. Wir haben gestern von den Initiativen der Schweizer gehört und würden die Bemühungen des Generalsekretärs begrüßen. Jeder kann helfen.

Aber wie Sie gesagt haben, sind die USA tatsächlich gegen die von Russland und China vorgeschlagene Strategie. Glauben Sie, es besteht eine echte Chance, dass die US-Amerikaner da mitmachen?

Was ist die Option? Eine militärische Lösung? Diese sollte völlig ausgeschlossen werden, weil die Konsequenzen zu schrecklich sein würden. Sie denken vielleicht, dass es nicht die richtige Zeit dafür ist, aber es ist nie zu früh, um den Prozess einzuleiten.

Warum sind Ihre UNO-Partner auf weitere Sanktionen gegen Nordkorea aus, wenn die bisherigen Sanktionen eindeutig nicht funktionieren? Wo ist der Sinn?

Das ist genau die Frage, die wir stellen. Gestern gab uns Nikki Haley eine Lektion in puncto Geschichte der Resolutionen des Sicherheitsrates gegen Nordkorea, die angenommen wurden und nicht funktionierten. Genau das bestätigt aber diese Tatsache.

Die UN-Botschafterin Nikki Haley bei einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats in New York, USA, 4. September 2017.

Wie Sie sagten, sprach die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen darüber, dass Nordkorea "um Krieg bettelt" und forderte "härtestmögliche Maßnahmen" gegen das Land. Glauben Sie, Nordkorea ist dafür bereit?

Wir haben Beweise dafür gesehen, dass es das nicht ist. Ich würde sagen, es reagiert auf den allgemeinen Willen, also darauf, dass die internationale Gemeinschaft es ablehnt. Daher weiß ich nicht, warum Nordkorea jetzt mit den neuen bevorstehenden Sanktionen entgegenkommender umgehen sollte, die seiner Meinung nach eine weitere Beleidigung des Landes selbst darstellen.

Also, wenn wir es von der nordkoreanischen Seite aus betrachten und bedenken, dass sie nicht für diesen Krieg bereit sind, warum ist Nordkorea dann so trotzig gegenüber der internationalen Gemeinschaft? Was macht es so kühn? Haben Sie eine Meinung dazu?

Nun, wir verstehen, was die Motive dafür sind. Die Welt hat gezeigt, was mit jenen Führern passiert ist, die ihre Atomprogramme freiwillig aufgegeben haben und vielleicht hat sie das auch beeinflusst in dem, was sie tun, was in keiner Weise richtig ist. Und natürlich spielen alle Konfliktparteien hier mit zu hohen Einsätzen.

Es gibt noch andere Krisen in der Welt, mit denen Russlands UN-Mission sich beschäftigen muss. Erst vor kurzem haben Sie eine Resolution über eine Friedenssicherungsmission in der östlichen Ukraine vorgeschlagen. Der ukrainische Präsident sprach eine lange Zeit selbst über die Bereitstellung von Friedenstruppen, doch nun ist Kiew nicht mehr glücklich über Moskaus Vorschlag. Was ist der Unterschied zwischen den beiden Ansätzen und warum soll der russische Vorschlag besser sein?

Wir haben über Ideen und vage Äußerungen über bestimmte Friedenssicherungsmissionen in der Ukraine gehört, die von Kiew eine geraume Zeit lang ins Spiel gebracht wurden. Wir sehen darin jedoch einen Versuch, die Umsetzung der Minsk-Vereinbarungen zu verwässern. Denn die einzige plausible Lösung für die Krise ist im Moment die Minsk-Vereinbarung, die durch eine Resolution des UN-Sicherheitsrates gebilligt wurde. Wir hörten von Kiew nichts Bestimmtes oder Schlüssiges zur Friedenssicherungsmission, während unser Vorschlag zunächst auf der Resolution 2202 aus dem Jahr 2015 beruht, die das Maßnahmenpaket zur Umsetzung des Minsk-Abkommens billigt. Sie zielt ausschließlich darauf ab, die besondere Überwachungsmission der OSZE-Beobachter an der tatsächlichen Linie des Konfliktes zu schützen. Es ist nicht mit irgendwelchen politischen oder anderen Aufgaben betraut, da diese Aufgaben zu etablierten Formaten wie der Special Monitoring Mission der OSZE gehören, die ich bereits erwähnt habe, oder zur Kontaktgruppe sowie dem Normandie-Format.

Bildquelle: Press Service of the President of Syria

Kommen wir zu Syrien, denn auch dieses wird Gegenstand der Debatte in der Vollversammlung der UN sein. Der französische Präsident Emmanuel Macron sagt, dass Terrorismusbekämpfung heute Priorität hat. Meinem Eindruck nach ist die "Assad muss gehen"-Rhetorik nicht mehr die dominierende Haltung. Haben sich die Ansichten Ihrer UN-Kollegen zu der Situation verändert?

Nicht wirklich, denn diejenigen, die es zuvor nicht zugeben wollten, geben nur widerwillig zu, dass sich die Situation am Boden in Syrien ändert. Doch sie ändert sich zum Besseren. Sie wissen, dass der Astana-Prozess, der von Iran, Russland und der Türkei geführt wird, zur Gründung von drei Deeskalationszonen geführt hat, in denen das Leben langsam wieder seinen normalen Lauf nimmt sowie die humanitäre Hilfe die Menschen erreicht. Die vierte Zone um Idlib wird noch ausgehandelt.
Das Territorium, das die Terroristen in Syrien besetzen, schrumpft jeden Tag. Die Situation ändert sich, man kann es nicht leugnen. Und wir sehen einen politischen Horizont in der syrischen Krise. Wir brauchen mehr politische Anstrengungen, denn die Lösung kann nur politisch sein, wir streben sie an, und arbeiten daran. Und ja, die Rhetorik bezüglich Syrien hat sich im Sicherheitsrat und der UNO im Allgemeinen geändert. Das gebe ich zu.

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