Lasst ihn scheitern! Warum eine Wahlteilnahme Nawalnys allen nützen würde - außer ihm selbst

Lasst ihn scheitern! Warum eine Wahlteilnahme Nawalnys allen nützen würde - außer ihm selbst
Der russische "Oppositionsführer" Alexei Nawalny
Alexei Nawalny ist nicht der "Führer der russischen Opposition", wie viele westliche Medien behaupten. Stattdessen ist er das aktuelle Aushängeschild einer Protestbewegung, die in vielerlei Hinsicht von seinen anhaltenden rechtlichen Problemen profitiert. 
 
von Bryan MacDonald

Lassen Sie uns zuerst einmal etwas klarstellen: Wenn Sie Alexei Nawalny als Führer der russischen Opposition betrachten, dann müssten Sie auch glauben, dass der Libertäre Gary Johnson dessen Äquivalent in den Vereinigten Staaten wäre. Beide sind jeweils die beliebtesten Figuren nicht-systemischer Bewegungen in ihren Ländern, allerdings mit insgesamt geringer Unterstützung. Beide haben auch nur begrenzten Zugang zu ihrer jeweiligen nationalen Mainstream-Presse, verfügen aber über fanatische Anhänger, die ihnen engagierte Online-Unterstützung anbieten.


So gewann Johnson beispielsweise 3,28 Prozent bei den US-amerikanischen Präsidentschaftswahlen 2016 und unabhängige russische Meinungsumfragen handeln Nawalny durch die Bank bei Werten von rund zwei Prozent. In einer aktuellen Umfrage zur Bekanntheit und Beliebtheit von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in Russland landete er auf demselben Wert wie die Pressesprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa. Das übertrage man gedanklich beispielsweise auf Deutschland. Ein "Führer der Opposition", der in Umfragen dieselben Werte erreicht wie ein Sprecher des Auswärtigen Amtes. Das gibt Ihnen eine Vorstellung davon, wie marginal Nawalny tatsächlich in Russland ist.

Dennoch glaube ich, dass die russischen Behörden besser beraten wären, den Nationalisten mit Freundlichkeit zu entwaffnen und ihm seine Teilnahme an der Wahl zu erleichtern. Denn seine derzeitigen juristischen Schwierigkeiten geben ihm eine Legitimität, die er ohne diese nicht hätte. Sie befeuern zudem auch einen westlichen Narrativ, der darauf abzielt, Wladimir Putins reale Popularität in Russland zu diskreditieren.

Nawalny abgeschlagen hinter systemischer Opposition

Am 25. Dezember entschied die Zentrale Wahlkommission Russlands, dass Nawalny aufgrund der Inhalte seines Strafregisters nicht an der Präsidentschaftswahl 2018 teilnehmen kann. Dieses offenbart eine fünfjährige Bewährungsstrafe, die ein Gericht 2013 im Rahmen eines Betrugsverfahrens rund um den staatlichen Holzkonzern Kirowles über ihn verhängt hatte.


Ein weiteres Verfahren endete ebenfalls mit einer Bewährungsstrafe gegen ihn - es ging um seine Rolle in einem Veruntreuungsfall rund um das französische Kosmetikunternehmen Yves Rocher mit einem Schaden in Höhe von 500.000 US-Dollar. Nawalny behauptet, dass beide Verurteilungen politisch motiviert waren.

Ob sie dies tatsächlich sind oder nicht: Der anhaltende Zirkus um Nawalny lenkt von den wirklichen Problemen in Russland ab. So hat gerade am Wochenende die zweitbeliebteste Partei des Landes, die Kommunistische Partei der Russischen Föderation (KPRF), den parteilosen Agrarunternehmer Pawel Grudinin zum Präsidentschaftskandidaten für 2018 bestimmt. Dennoch haben westliche Medien kaum darüber berichtet, weil Nawalnys Randbewegung für ihre Agenda des Russland-Bashings nützlicher ist.

Dabei ist Grudinin ein wirklich interessanter Herausforderer mit einer erstaunlichen Erfolgsbilanz. Er betreibt die so genannte Lenin-Farm außerhalb Moskaus, die ihren Arbeitnehmern kostenlose Unterkünfte, Gesundheitsfürsorge und attraktive Familienleistungen bietet und zudem aktiv in die lokale Infrastruktur investiert. Grudinin will, dass Russland sich aus der Welthandelsorganisation (WTO) zurückzieht und zu einer Art autarkem Marktsozialismus übergeht. Dies steht in deutlichem Gegensatz zu dem von Boris Jelzin mit US-amerikanischer Unterstützung geschaffenen und von Wladimir Putin weitgehend fortgeführten hyperkapitalistischen System, auch wenn Letztgenannter den Sozialstaat teilweise wieder aufgebaut hat.

Mehr zum Thema - Kommunisten in Russland: Akzeptanz gestiegen, Wahlerfolge bleiben aus

Darüber hinaus hat Grudinin die Chance, die Kommunisten wiederzubeleben, nachdem sein Vorgänger Gennadi Sjuganow diese in die Rolle einer Art Marionettenpartei schlüpfen ließ. Täuschen Sie sich nicht: Die KPRF ist potenziell eine sehr mächtige Gruppierung mit enormer Anziehungskraft, ganz im Gegensatz zu Nawalnys Straßenbewegung, die, wie selbst der Guardianeingestehen musste, weitgehend von Teenagern unterstützt wird, die so jung sind, dass die meisten von ihnen noch nicht einmal das gesetzliche Wahlalter von 18 Jahren erreicht haben.


Politik gegen die Überzeugungen der Bevölkerung

So wird echte Politik durch den Nawalny-Unsinn überschattet. Dieser hat zwar keine wirkliche politische Basis, nur seine offen rassistische Haltung - die er deutlich abgeschwächt hat, für die er sich aber in einem Interview im Frühjahr letzten Jahres auch nicht entschuldigen wollte - und eine Plattform, die allem, was die Russen eigentlich wollen, entgegengesetzt zu sein scheint. Zum Beispiel geht die überwiegende Mehrheit der Russen davon aus, dass die Krim russisch ist. Punkt. Sein Vorschlag, öffentliche Unternehmen zu privatisieren oder zu liquidieren, erinnert die Russen an die wilden 1990er Jahre. Darüber hinaus steht sein Vorschlag, die Mannstärke im russischen Militär signifikant zu kürzen, im Widerspruch dazu, wie die Russen die erforderliche Stärke einer großen stehenden Armee beurteilen. Wirklich respektiert wird Nawalny lediglich für für seine Anti-Korruptionsbemühungen.

Symbolbild

Ich möchte klarstellen, dass das russische Recht respektiert werden sollte, und ich plädiere nicht dafür, dieses zu ignorieren, um irgendjemandes Gefühle zu beschwichtigen oder den Wahlen einen dem westlichen demokratischen Standard vermeintlich eher genügenden Anstrich zu geben, wie es ein Twitter-Nutzer vernünftigerweise formuliert hat. Ich möchte an dieser Stelle aber anmerken, dass ein Wiederaufnahmeverfahren zu Gunsten Nawalnys, das es ihm erlauben würde, 2018 zu kandidieren, allen zugute käme außer ihm selbst. Natürlich kann ich mich nicht dafür einsetzen, dass für Nawalny ein paralleles Rechtssystem eingerichtet wird, aber ich denke, es ist schlecht für den Kreml, dass er nicht auf der Liste steht.

Kommt Nawalnys Name letztendlich nicht auf den Stimzettel, wird dieser für die nächsten sechs Jahre zum Spielverderber und schafft einen Vorwand für ausländische Kritik am russischen Wahlsystem. Dies kann, ob man will oder nicht, in einer Zeit, in der Sanktionen als Waffe eingesetzt werden, externen Akteuren einen Aufhänger bieten, um Russland zu bestrafen. Wir haben bereits die zweifelhafte "Magnitski-Liste" - lohnt es sich also wirklich, eine "Nawalny-Liste" zu riskieren, die alles noch schlimmer macht?

Aber auch die westlichen Medien müssen sich hier auf sich selbst besinnen: Nawalnys "Kampagne" ist letztlich ein Nebenschauplatz innerhalb eines Nebenschauplatzes. Und seine Bewegung hat es sogar versäumt, die kleine liberale Moskauer Clique zu vereinen, die zwar an den Westen appelliert, aber wenig mit den russischen Wählern gemein hat. Hauptsächlich liegt dies an zwei Faktoren: Nawalnys nationalistische Neigungen bedrücken sie, und die Bewegung hat zu viele Häuptlinge und zu wenige Indianer. Denn jeder will der Anführer sein und niemand will die zweite Geige spielen.

Alexej Nawalni während seiner kurzzeitigen Inhaftierung im Gespräch mit Journalisten, Moskau 12. Juni 2017.

In Wahrheit ist dies alles eine gute Nachricht für Nawalny selbst. Anstatt tatsächlich gezwungen zu sein, einen echten Wahlkampf zu führen, in dem er von Putin, Grudinin und sogar dem Veteranen Wladimir Schirinowski in seine Grenzen verwiesen wird, bleibt er am Rande des Wahlkampfes.
Beobachten Sie also, wie er jetzt immer mehr Straßenproteste organisiert und maximale Störungen verursacht. Natürlich müsste er auch das nicht: Ginge es ihm wirklich darum, die russische Regierung zu verändern, könnte er dieser den Fehdehandschuh hinwerfen, indem er einen Kandidaten unterstützt, der kein Vorstrafenregister hat und frei kandidieren kann. Das könnte Boris Titow, Xenija Sobtschak oder eine andere Figur seiner Wahl sein. Aber das würde bedeuten, dass es nicht mehr nur um Alexei Nawalny gehen würde.

Tatsache ist, dass die Russen Putin mit überwältigender Mehrheit unterstützen, und er wird die Wahl wohl mit deutlichem Vorsprung gewinnen. Aber ich persönlich würde lieber Nawalnys Namen auf dem Stimmzettel sehen, um ihn politisch zu erledigen, anstatt weitere sechs Jahre zu ertragen, in denen er fälschlicherweise in der westlichen Presse als "Russlands Oppositionsführer" dargestellt wird. Aber andererseits bin ich kein Russe und kann nicht einmal wählen.

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