Löschung von Kadyrow-Accounts: Facebook und Instagram "agieren wie US-Regierungsbehörden"

Löschung von Kadyrow-Accounts: Facebook und Instagram "agieren wie US-Regierungsbehörden"
Bild: Alexander Klaus/pixelio.de
Seit knapp einer Woche sind die Accounts des tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow auf Facebook und Instagram gelöscht. Die Social-Media-Riesen begründeten ihren Schritt mit Magnitski-Sanktionen. Der Vorgang weckt unterdessen düstere Vorahnungen. 
 
Die Löschung der Accounts des tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow durch Facebook und Instagram - begründet mit bestehenden US-Sanktionen gegen den Politiker - hat in den USA grundlegende verfassungsrechtliche Fragen aufgeworfen. Insbesondere werden Vorwürfe laut, die Social-Media-Anbieter agierten, obwohl sie private Unternehmen wie Regierungsstellen seien und missachteten Rechte wie die Redefreiheit.

Der Rechts- und Medienexperte Michael William Lebron, bekannt unter seinem Künstlernamen Lionel, unter dem er eine Radioshow betreibt, äußerte in einer Nachricht an RT:
Die erste und offenkundige Frage, die zu klären ist, lautet: Auf welcher Rechtsgrundlage blockiert Facebook Konten auf der Basis von Sanktionen der US-Regierung? Gibt es eine entsprechende Wechselseitigkeitsvereinbarung?"

Mehr als 3,2 Millionen Follower auf Instagram

Am Samstag verschwanden die Accounts Kadyrows, in Russland durch ihre manchmal kontroversen Beiträge und Fotos bekannt, von Facebook und Instagram. Facebook, das beide Plattformen betreibt, erklärte später, die Sperre sei auf Grund "rechtlicher Verpflichtungen" erfolgt, die sich daraus ergeben, dass die US-Regierung gegen den Tschetschenenführer in der Vorwoche Sanktionen auf der Basis des Magnitski-Gesetzes erlassen hatte. Auf Instagram folgten mehr als 3,2 Millionen Menschen dem Account Kadyrows.

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Lionel meint dazu:
Facebook und Instagram sind theoretisch private Unternehmen, ohne Verbindungen zur Regierung der Vereinigten Staaten als solcher, aber man könnte argumentieren, ihr Handeln lege den Schluss nahe, sie agierten in einer konzertierten Form, als wären sie eine Behörde. Ist dies jedoch der Fall, lässt sich in einem weiteren Interpretationsschritt die Auffassung begründen, dass sie, wenn sie diesen Status genießen, auch so zu behandeln sind - und dass ihre Restriktionen bezüglich dort geäußerter Rede eine Verletzung des Ersten Zusatzartikels [der US-Verfassung] darstellen, der, neben anderen Dingen, auch die Freiheit der Rede und der Presse schützt."
Lionel warnte, dass das Vorgehen im Fall Kadyrow einen Präzedenzfall darstellen könnte, der dazu führt, dass auch die Accounts anderer Menschen unter bizarren Vorwänden blockiert werden könnten.
Was kommt als nächstes? Facebook und Instagram löschen Accounts wegen Steuerrückständen oder gerichtlichen Verurteilungen? Wird die New York Times bald jemandem auf Grund von Magnitski-Vorschriften das Abo kündigen?"

Ende des Internets als globales Projekt?

Auch Sam Greene, dem Leiter des Russland-Instituts am Londoner King's College, ist offenbar nicht wirklich wohl bei dem Gedanken an die Entscheidung Facebooks. Auf Twitter erklärte er:
So sehr es mich freut, dass Kadyrow aus dem Äther verschwindet, ist das doch eine grauenvolle Unternehmenspolitik. Der US-Regierung zu erlauben, zu bestimmen, wer online sichtbar sein darf und wer nicht, ist Zensur."
Zwei Drittel der US-Amerikaner informieren sich nicht mehr exklusiv über CNN & Co.

Würden soziale Medien dem nicht entgegentreten, so Greene, werde dies "jeder Regierung die Tür öffnen, um die Schließung oder Sperrung eines Benutzerkontos zu verlangen". Dies wäre wiederum "ein weiterer Schritt hin zur Schaffung 'souveräner' nationaler Netzwerke und die Demontage des Internets als eines globalen öffentlichen Guts".

Auch der frühere Journalist der Washington Post, Andrew Roth, der demnächst das Büro des Guardian in Moskau übernehmen wird, kritisierte die Entscheidung Facebooks – allerdings für deren mangelnde Konsequenz.
Warum nur ihn?", fragte Roth auf Twitter, "und nicht auch Qassem Soleimani, Nicolas Maduro, Sergej Aksjonow? […] Die Liste geht noch weiter."
Die genannten Personen, der General der iranischen Revolutionsgarden, der Präsident Venezuelas und das Oberhaupt der russischen Republik Krim sind bereits seit mehreren Jahren Ziel individuell verhängter Sanktionen Washingtons.

Beredtes Schweigen von Bürgerrechtsorganisationen

Vonseiten US-amerikanischer Bürgerrechtsorganisationen, die zu Beginn des Jahres noch gegen die Regierung Trump wegen deren Einreisesperren für Angehörige mehrerer Staaten geklagt hatten, gibt es bislang noch keine Reaktion auf die in den USA beheimateten Social-Media-Unternehmen, die ausländische Accounts aufgrund von Sanktionen durch dieselbe Regierung geschlossen haben.

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Bereits vor mehreren Monaten hatte sich Facebook dem Druck des US-Kongresses gebeugt und eine Untersuchung zur Nutzung der Plattform im Zusammenhang mit der angeblichen russischen Einmischung in die US-Wahlen 2016 eingeleitet. Anfang September teilte Facebook als Ergebnis der Bemühungen mit, man habe Werbeaufträge über etwa 100.000 US-Dollar aufgefunden, die zwischen Juni 2015 und Mai 2017 platziert worden wären. Es habe sich um etwa 3.000 Anzeigen gehandelt, die mit etwa 470 Accounts und Seiten zu tun gehabt hätten, die "wahrscheinlich von Russland aus" betrieben worden seien.

Im November hat Facebook ein spezielles Tool vorgestellt, das Nutzern anzeigen soll, wenn sie Beiträge angeblicher "russischer Internet-Trolle" gelikt haben. Der Social-Media-Gigant erklärte dies mit "kontinuierlicher Transparenz hinsichtlich russischer Aktivitäten" und Bemühungen, Nutzer vor "bösen Akteuren" zu beschützen, die "versuchen, unsere Demokratie zu unterminieren", so das Unternehmen.

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