Ungeliebte "Patriots": Polen ist das US-Abwehrsystem immer noch zu teuer

Ungeliebte "Patriots": Polen ist das US-Abwehrsystem immer noch zu teuer
Ein US-amerikanischer Soldat untersucht eine Einheit des Flugabwehrraketen-Systems Patriot während einer polnisch-US-amerikanischen Übung in Sochaczew bei Warschau; Polen, 21. März 2015, Quelle: Reuters
 
Auch das jüngste US-amerikanische Angebot für ein Flugabwehrraketen-System "Patriot" ist nach wie vor zu teuer, meint das polnische Verteidigungsministerium. Warschau ist jedoch zuversichtlich, in weiteren Verhandlungen mit den USA den Preis drücken zu können. 
 
Wie das Nachrichtenportal defensenews.com letzte Woche berichtet hat, soll der aktuelle Preis für das Mittelstrecken-Flugabwehrraketen-System "Patriot" immer noch sieben Milliarden polnische Złoty (ca. 1,6 Milliarden Euro) über jenem Betrag liegen, den die polnische Regierung ursprünglich zu bezahlen bereit war. Die Budgetgrenze liege bei insgesamt 30 Milliarden polnischen Złoty (ca. 7,13 Milliarden Euro), so die polnische Führung.

Polnischer Verteidigungsminister Antoni Macierewicz und sein US-amerikanischer Amtskollege James Mattis bei einem Treffen im NATO-Hauptquartier in Brüssel (Belgien, Juni 2017, Quelle: Reuters)
Der Staatssekretär im polnischen Verteidigungsministerium, Bartosz Kownacki, erklärte des Weiteren:
Der hohe Preis hat uns überrascht. [...] Der Preis ist wahrlich inakzeptabel für uns. Selbst im Hinblick auf die bedeutenden Vermögenswerte, die wir für die polnischen Streitkräfte reserviert haben.
Polen will perspektivisch eigene Rüstungsindustrie schaffen
Wie bereits in einem RT-Deutsch-Artikel erwähnt, laufen diese Verhandlungen über den Verkauf von US-amerikanischen Waffensystemen an Polen seit einigen Jahren. Im Jahr 2014 kam dann von polnischer Seite eine grundsätzliche Entscheidung für das Patriot-System. Die polnische Regierung wollte jedoch nicht lediglich jenes Paket, das die US-amerikanische Rüstungsfirma Raytheon bereits im Angebot hatte, sondern ein neuartiges und umfangreiches Steuerungs- und Kontrollsystem für Patriot, das erst noch in der Entstehungsphase ist.

Perspektivisch strebt Polen das langfristige Ziel eines progressiven und selbstständigen militärischen Wachstums und einer Weiterentwicklung des eigenen Bestandes an militärischen Gerätschaften an. Warschau plant am Ende die Schaffung einer eigenständigen Rüstungsindustrie, innerhalb derer das Land selbst mitbestimmen kann, statt nur fest verwurzelter Käufer zu sein, wie dies zum Beispiel Rumänien ist.

Kownacki beteuerte, dass die hoch angesetzten Preise jener Rüstungsfirmen, die an dem Verhandlungsprozess teilnehmen, auf ein Missverständnis zurückzuführen sind. Die so genannten Offsetgeschäftsoptionen seien nicht klar definiert worden und würden sicherlich im weiteren Verlaufe der Verhandlungen besser kalkuliert, so Kownacki.

Andere Analysten in Polen sind skeptischer bezüglich der Möglichkeit einer künftig aushandelbaren Preissenkung. In jener Größenordnung, die sich das polnische Verteidigungsministerium vorstellt, werde dies schwierig, so der Experte Marek Swierczynski von dem Nachrichtenportal Polityka Insight.

Geplatzte Legende: Fabrizierte Erfolgsgeschichte über "Patriot" als Wasser auf die Mühlen Warschaus?

Ungeachtet allen Eifers und vor allem Geldes, das die Polen dennoch in die Verhandlungen um das erweiterte Patriot-System einfließen zu lassen bereit sind, steht die Zuverlässigkeit von Patriot zunehmend in Frage.

Patriot ist ein multifunktionales Waffensystem, das nicht nur gegen mehrere, niedrig und/oder hochfliegende Flugzeuge gleichzeitig eingesetzt werden kann, sondern auch gegen ballistische Raketenangriffe.

Die Erfolgsbilanz des Systems sei bei Weitem nicht so eindeutig, wie es die US-amerikanischen Rüstungsfirmen und Medien in den letzten Jahrzehnten dargestellt haben. Gastautor Rainer Rupp wies jüngst hier auf RT Deutsch darauf hin, dass die israelischen Oberbefehlshaber während des bewaffneten Konflikts mit dem Irak im Jahr 1991, auf den sich die Patriot-Legende stets bezog, wenige Jahre später selbst eröffnet haben, dass das US-amerikanische Patriot-System "vielleicht eine einzige, aber möglicherweise überhaupt keine der irakischen Scuds [Raketen]" abgefangen hätte. Die irakischen Scuds, die in Richtung Israel abgefeuert wurden, waren von den Irakis im Vorfeld selbst umgebaut worden. Dadurch hatten diese sich im Einsatz jedoch praktisch selbst sabotiert und die Raketen zerfielen beim Wiedereintritt in die Atmosphäre.

Erst letzte Woche berichtete die New York Times über misslungene Einsätze des Patriot-Systems in Saudi-Arabien. Demnach habe das in Riad installierte Patriot-System jüngst abgefeuerte Raketen der Huthi-Rebellen aus dem Jemen nicht abfangen können.

Als Zeitfenster sollten 26 Jahre vom Jahr 1991 bis 2017 potenziellen Abnehmern Aufschluss geben und eine Kaufentscheidung nachhaltig beeinflussen können. Stattdessen ist die polnische Republik im Begriff, sich in eine Gruppe von Ländern einzuordnen, die wie Japan oder Südkorea bereits das Patriot-System nutzen, sich aber dessen voller Einsatzfähigkeit nicht sicher sein können.

Sollte sich an der Effektivität und Qualität des Patriot-Systems nicht viel geändert haben, droht den Polen die wohl größte Fehlinvestition der letzten Jahrzehnte.

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