EU-Ratspräsident Tusk: Geringe Motivation, Polen in der EU zu halten

EU-Ratspräsident Tusk: Geringe Motivation, Polen in der EU zu halten
EU-Ratspräsident Donald Tusk, Warschau, Polen, 23. April 2018.
Donald Tusk warnt Polen vor einem "Polexit". Die Motivation, das Land in der EU zu halten, sei kleiner als bei Großbritannien. Polen könnte "aus Versehen" austreten, falls sich Warschau weiterhin durch seine Justizreform mit Brüssel anlegt.
 
EU-Ratspräsident Donald Tusk ist der Ansicht, dass innerhalb der Europäischen Union "der Wille, Polen in der EU zu halten, kleiner ist als im Falle Großbritanniens". Die Situation zwischen Brüssel und Polen bezeichnete er als "sehr sehr ernst". Das Verhältnis ist seit der Justizreform in Polen angeschlagen.

Donald Tusk zog einen Vergleich zum Brexit:
Ich habe Erfahrungen mit dem britischen Premierminister David Cameron. Ich habe Tag für Tag mit ihm gearbeitet, um den Brexit zu vermeiden. Er kam auf die Idee des Referendums und tat dann alles, um Großbritannien in der EU zu halten, aber führte Großbritannien (letztlich aus der EU) hinaus. 
Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki mit dem Europäischen Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker beim gemeinsamen Treffen am 9. Januar 2018 in Brüssel. (Quelle: Reuters)

Im Zuge der umstrittenen Justizreform der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) hatte Polen im Juli das Pensionsalter oberster Richter von 70 auf 65 Jahre herabgesenkt. Der polnischen Regierung wird vorgeworfen, sich auf diese Weise missliebiger Juristen zu entledigen. Das Gesetz traf 21 Juristen.

Die EU-Komission Warschau klagte vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Den Aufforderungen der EU an Polen, das Gesetz freiwillig zu ändern, war die polnische Regierung nicht nachgekommen. Die PiS argumentierte, das Gesetz helfe gegen korrupte Beamte. Für Donald Tusk betreibt der Chef der PiS eine grenzwertige Politik. Die EU wirft Polen eine Verletzung der Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit vor. Ein weiterer Streitpunkt zwischen der EU und Polen ist die Aufnahme von Migranten.

Donald Tusk steht bei der PiS-Regierung in der Kritik. Diese befragte ihn jüngst zum Finanzskandal um den Finanzdienstleister Amber Gold. 2012 wurde die Affäre aufgedeckt, damals war Tusk Ministerpräsident. Ihm wird vorgeworfen, nicht genug zur Verhinderung des Skandals unternommen zu haben. Insgesamt 200 Millionen Euro büßten Tausende von Polen bei ihren Anlagen ein. Tusk wies die Vorwürfe zurück.


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