Bedächtig öffnete Oskar den Umschlag, den er
soeben aus dem Briefkasten nach oben geholt hatte, mit einem silbernen
Brieföffner. Das gute Stück hatte er einmal vor vielen Jahren von einer
Freundin geschenkt bekommen. Das ist lange her und längst war die Frau
aus Oskars Leben verschwunden. Der Brieföffner tat seine Dienste immer
noch. Emma, seine jetzige Lebensgefährtin, saß ihm am Küchentisch
gegenüber und beobachtete aufmerksam jeden seiner Handgriffe. Oskar
nippte noch einmal an seinem Kaffee, dann setzte er seine Lesebrille
auf, zog das im Umschlag befindliche Schreiben vorsichtig heraus,
entfaltete es und las.
„Darf ich fragen, was das ist?“, fragte die Frau mit leicht schnippischem Unterton.
„Gleich, Liebes, gleich“, vertröstete Oskar sie mit abwehrender Handbewegung und las kopfschüttelnd weiter.
Endlich blickte er auf, sah Emma mit traurigen Augen an und schob ihr das Schreiben über den Küchentisch zu.
„Ich fürchte, Weihnachten muss in diesem Jahr ausfallen“, sagte er tonlos.
„Ach – die Zahnarztrechnung, ich habe es geahnt.“
Oskar nickte.
„Dann will ich es gar nicht sehen“, entschied Emma resolut und schob ihm das Schreiben über den Tisch zurück.
„Wie viel“, fragte sie nach einer kurzen Pause.
„1265 Euro und 20 Cent.“
„Oje“, stöhnte Emma auf und presse beide Hände an die Ohren. „Ich kann es wirklich nicht mehr hören: Erst die Mieterhöhung, dann…
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