"Nowitschok-Opfer" sucht Antworten in Russischer Botschaft und will mit Wladimir Putin sprechen

"Nowitschok-Opfer" sucht Antworten in Russischer Botschaft und will mit Wladimir Putin sprechen
"Nowitschok"-Opfer besucht Russlands Botschaft in London und will mit Wladimir Putin sprechen

Die russische Botschaft in London hat am Samstag Charlie Rowley empfangen, der sich nach Angaben der britischen Behörden im Jahr 2018 mit dem Neurotoxin "Nowitschok" vergiftet haben soll. Der 45-Jährige bat dabei auch um eine Möglichkeit, Wladimir Putin zu treffen. 
 
Am Samstag hat sich der russische Botschafter in Großbritannien, Alexander Jakowenko, mit einem Überlebenden der vermeintlichen Nowitschok-Vergiftung in Amesbury getroffen.

Der 45-jährige Charlie Rowley traf mit seinem Bruder Matthew auf der Suche nach Antworten in der diplomatischen Vertretung ein, nachdem die britischen Behörden ihn fast ein Jahr lang über die Details der ihn und seine Freundin betreffenden Vergiftungsgeschichte im Unklaren gelassen hatten.

Russlands Botschafter in Großbritannien, Alexander Jakowenko, während einer Präsentation zum Fall Skripal im April 2018.

Rowley und seine Partnerin Sturgess wurden am 30. Juni 2018 aus Amesbury mit Vergiftungserscheinungen ins Krankenhaus gebracht. Zuerst ging die Polizei von einer Überdosis Drogen aus, behauptete dann jedoch, dass das Paar mit Nowitschok vergiftet wurde, dem gleichen Nervenmittel, das angeblich vier Monate zuvor gegen Sergei und Julia Skripal in Salisbury eingesetzt wurde. Sturgess starb eine gute Woche später im Krankenhaus. Rowley, der bleibende Verletzungen davontrug, wird seither in Bezug auf den Vorfall von den britischen Behörden im Dunkeln gehalten.

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Botschafter Jakowenko machte mit den Gästen eine kurze Führung durch die Gesandtschaft und überreichte ihnen einen Bericht mit dem Titel "Salisbury: Unbeantwortete Fragen", den die russischen Diplomaten als Reaktion auf die Untersuchung der britischen Behörden verfasst hatten.
Nach der Führung lud Alexander Jakowenko die Brüder Rowley zum Tee ein. Das Gespräch fand hinter verschlossenen Türen statt und dauerte gut eine Stunde.

Wie Alexander Jakowenko später den russischen Medien mitteilte, hätten sich die Briten für die Rolle Russlands in der sogenannten Skripal-Affäre interessiert und ihn danach gefragt, ob Russland das einzige Land sei, das das Nervengift "Nowitschok" herstellen könne. Der russische Botschafter bestritt das und wies darauf hin, dass ein tschechisches Labor mit dem Toxin experimentiert hatte.  Alexander Jakowenko betonte, dass Charlie und Matthew von den britischen Ermittlern so gut wie keine Informationen über die Vorfälle in Salisbury und Amesbury erhalten hätten. Sie wollten nur die Wahrheit erfahren und seien nicht gegen Russland gestimmt.
Die meisten Informationen, die sie haben, haben sie in den Zeitungen gelesen. Und ich hatte den Eindruck, dass sowohl die Familie von Dawn Sturgess als auch die von Charlie Rowley nicht ausreichend darüber informiert wurden, was mit dem Paar in Amesbury und was vorher in Salisbury passiert ist", so der russische Diplomat nach dem Treffen mit Rowley. "Es ist jetzt schon ein Jahr her – und wir haben immer noch keine offiziellen Ergebnisse gesehen. Was Charlie und seinen Bruder dazu veranlasste, uns zu kontaktieren, ist genau diese Tatsache, dass sie von den britischen Behörden nichts erhalten haben."
Die Brüder Rowley weigerten sich, russischen Medien ein Interview zu gewähren. Dafür sprachen sie mit der britischen Zeitung Sunday Mirror. Charlie sagte dem Blatt unter anderem, er habe Alexander Jakowenko um ein persönliches Treffen mit Russlands Staatschef Wladimir Putin gebeten. Der Botschafter habe ihm versprochen, sich danach zu erkundigen. Das britische Boulevard-Blatt zitierte den 45-Jährigen:

Symbolbild
Der Botschafter gefiel mir zwar, aber ich fand manche Worte, mit denen er versuchte, die Verantwortung Russlands zu bestreiten, einfach lächerlich. Ich freue mich aber darüber, ihn getroffen zu haben. Ich glaube, ich habe einige Sachen erfahren, die ich vorher nicht gewusst habe. Aber ich denke nach wie vor, dass die Attacke von Russland ausgeführt worden ist."
Außerdem habe der Botschafter immer wieder gesagt, dass die Substanz definitiv nicht das Nowitschok gewesen sei, das Russland gemacht habe, denn in dem Fall hätte es alle getötet, so Rowley, der aber meinte, selbst davongekommen zu sein, weil er sich im Gegensatz zu seiner Partnerin die Substanz abgewaschen habe.

Am 4. Juli 2018 hatte die britische Polizei über einen "ernsthaften Vorfall" in Amesbury berichtet. Demnach vergifteten sich dort zwei Menschen mit einem "unbekannten Giftstoff" und wurden in einem kritischen Zustand ins Krankenhaus eingeliefert. Später gab Scotland Yard bekannt, dass das betroffene Paar demselben Nervengift zum Opfer gefallen sei, mit dem Sergei Skripal und seine Tochter Julia vergiftet worden seien. Die 44-jährige Dawn Sturgess starb am 8. Juli im Krankenhaus.
Charlie Rowley überlebte nach zehn Tagen im Koma und wurde am 20. Juli aus dem Krankenhaus entlassen. (TASS/RIA Nowosti)

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